Im Dunkeln noch eins drauflegen

betr.: 111. Geburtstag von Robert Morley

Gegenwärtig wird mehr synchronisiert als je zuvor und so viel wie seit dem Siegeszug des Privatfernsehens vor gut 30 Jahren nicht mehr. Parallel dazu mehrt sich in privater Runde der Slogan „Ich kucke sowieso alles im Original!“ – was freilich in erster Linie daran liegt, dass wir erst heute fast bei jedem ausländischen Film- und TV-Ereignis eine Wahlmöglichkeit haben. Dieser Satz wird selten sehr leidenschaftlich vorgetragen. Vielfach ist er eine Sottise, ein allzeit griffbereites Wischiwaschi-Statement, das in unserer notorisch gesinnungslosen Zeit einen Hauch von nebensächlichem Individualismus vortäuschen hilft. Besonders strapaziert wird er von jüngeren Menschen, die die deutsche Synchronisation (wenn überhaupt) nur aus ein paar zufällig erspähten Beispielen kennen, die nicht repräsentativ sein müssen. Schon gar nicht ein künstlerisches Handwerk betreffend, das seit mehr als 70 Jahren intensiv betrieben wird und zu einigen grandiosen Leistungen und sogar Neuerfindungen geführt hat.

Die Grundsatzdiskussion, ob es überhaupt vertretbar sei, Schauspieler zu synchronisieren, erlebe ich immer wieder, aber ich führe sie nicht mehr. Ich entwinde mich dieser von vorneherein sinnlosen Debatte jeweils so rasch es geht. Natürlich bringt die heutige Massenproduktion deutscher Tonspuren auch neue Tiefpunkte mit sich, aber auf der anderen Seite gibt es leuchtende Gegenbeispiele, zumindest für mich.
Einem meiner Lieblingsschauspieler mag ich im Original einfach nicht gern zuhören: Peter Falk. Ich habe es über die Jahre immer wieder versucht und bin sicher, ich wäre niemals in den ungetrübten und derart erschöpflichen Genuss seines komödiantischen Genies gekommen, hätten ihn nicht Glücksfälle wie Harald Juhnke und Horst Sachtleben (der beste der fünf „Columbo“-Synchronsprecher) stimmlich vertreten. Selbst Falks schlimmste Fehlbesetzung – der sonst große Uwe Friedrichsen – lässt mich der Geschichte besser folgen als das Original.

Ein anderer unbezahlbarer Komödiant, der seiner deutschen Stimme ebensoviel verdankt wie ich als Zuseher, ist Robert Morley. In der ersten Hälfte der 60er Jahre hat er in seiner englischen Heimat wie auch in Hollywood eine solche Unzahl von Filmen gedreht, dass er in meiner Fernsehkindheit allgegenwärtig war. Fast immer hat ihn der melodisch-kullernde Sound von Erich Fiedler begleitet. Robert Morley hat in Wirklichkeit eine angenehme und überaus sympathische Stimme, aber wenn ich sie höre, verspüre ich unweigerlich den Verdacht, einer Fälschung aufzusitzen.

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Eine Antwort zu Im Dunkeln noch eins drauflegen

  1. Felix Schroeder sagt:

    Wieder eine ganze Reihe unglaublich kundiger und belesener Beiträge. Vielen Dank!

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