Filmmusik und ich (3): Das große Missverständnis mit den Musicals

Obwohl die Langspielplatte als Medium bisher nicht totzukriegen war, sind Plattenläden heute zumeist Antiquariate. (Sicher gibt es noch die aktuell ausgerichtete DJ-Bedarfs-Variante, aber da kenne ich mich nicht aus.)
Wenn ich pinselig sein wollte – was mir zum Glück ja vollkommen fremd ist – würde ich sagen: einen gut sortierten Plattenladen erkennt man daran, wie er sein Filmmusik-Regal pflegt. (So spricht der Herr: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan.“) Wenn überhaupt ein solches Regal existiert, dann weist es in der Regel eine Nachlässigkeit auf: die Musicalplatten sind ebenfalls darin untergebracht.
Die Schnittmenge dieser beiden Sparten ist offensichtlich – die Filmmusicals bzw. verfilmten Musicals -, aber die meisten Plattenhändler unterscheiden generell nicht zwischen Theatermusik und Filmmusik. So ist die am häufigsten vertretene LP in den Soundtrack-Fächern nach wie vor „Cats“ (wovon es nie eine Verfilmung gegeben hat), gefolgt von der deutschen Bühnenfassung von „My Fair Lady“ (- die deutsche Filmversion ist viel seltener anzutreffen).

Robin And The Seven Hoods FEin Musical braucht in erster Linie gute Songs. Die Traumbesetzung, die feschen Klamotten, der Budenzauber und das herrliche Buch fallen bei diesen Burschen unter die Ganovenehre: das Cast-Recording von „Robin And The Seven Hoods“.

Für mich als jungen Soundtracksammler bedeutete das neue Irritationen. Die Verfilmung des Musicals „Mame“ etwa kannte ich aus dem Fernsehen, aber der Soundtrack dazu ist überaus rar. Lange Zeit musste ich mich mit dem Broadway-Album „Mame“ begnügen, das in der Hauptrolle sogar wesentlich besser besetzt, aber eben ganz anders ist. Ein Song, der mir besonders wichtig war – die Comedy-Nummer „The Man In The Moon“ mit Beatrice Arthur – hat die gleiche Interpretin, aber an das Originalarrangement habe ich mich nie gewöhnen können.

Ein kurioses Beispiel ist das Rat-Pack-Musical „Robin And The Seven Hoods“, das Frank Sinatra 1963 bei seinen Hausmusikern Sammy Cahn und James Van Heusen bestellt und mit seinen Kumpels aus der Showbranche besetzt hat (unter Hinzuziehung des jungen Peter Falk in einer Ganovenrolle). Jeder Song ist ein Hit, und das Setting – knuffige Prohibitionsgangster in Chicago, die den „Robin Hood“-Mythos nachspielen – ist einfach unwiderstehlich. Die LP musste ich in Japan bestellen (das bedeutet: sehr teuer, aber klanglich einfach unerreicht). Nun war ich auf den Inhalt gespannt.
Einzig „Bang Bang“ – das große Solo von Sammy Davis jr. – klingt genau so wie im Film, alle übrigen Songs weisen eher nach New York als nach Chicago. Der schmissige Vorspann – eine Instrumentalversion des zentralen Sinatra-Songs „My Kind Of Town“ – fehlt, so dass ich gleich zu Beginn des Hörvergnügens wusste, was die Stunde geschlagen hat. Stattdessen eröffnet eine aufwändige Broadway-Ouvertüre das Album, in der sämtliche Themen angespielt werden. Verständlicherweise begegnete ich dieser meisterlichen Arbeit mit Undankbarkeit. Inzwischen weiß ich sie zu schätzen. Und mehr noch: ich begreife die prophetische Wahrheit, die der Arrangeur Nelson Riddle hier angelegt hat.
„Robin And The Seven Hoods“ hätte auf die Bühne gehört. Selbst heute, da uns die Urbesetzung nicht mehr zur Verfügung steht, wäre diese drollige Klamotte (drollig aber cool!) ein himmlisches Vergnügen in unserem Musicalbetrieb, der beharrlich an den Bedürfnissen des breiten Publikums vorbeiproduziert und nur eine Nische bespaßt, von der er letztlich nicht leben kann.
Forts. folgt

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