Ixen für Anfänger: Fehlbetonungen, Variante A und B

Ixen – eine Technik, die beispielsweise in der Synchronarbeit zum Einsatz kommt – erfordert rasche und präzise Textauffassung. Diese Serie hält Sprech-Übungen bereit, um die betreffenden Instinkte zu schärfen.

Es gibt zwei Arten von Fehlbetonungen: die sinnvollen und die sinnlosen. Die sinnvollen sind die gefährlicheren, denn während die ersteren nur irritieren, sind sie geeignet, zu verwirren. Sie geben dem Text eine Wendung, die logisch zu funktionieren scheint, aber in die falsche Richtung weist.

Ein besonders amüsantes Beispiel erlebte ich in einer Dokumentation, in der ein alter Lichtsetzer über seine Arbeit im Poetischen Realismus sprach, einer Film-Stilrichtung zwischen den Weltkriegen. Er erzählte:

Um dem Gesicht der Schauspielerin zu schmeicheln, habe ich wie gewöhnlich das Bild nach der Figur des Films bearbeitet.

Durch die Betonung auf dem letzten Wort wird das Wort „nach“ zu einem zeitlichen Hinweis. Nach dem Ende der Dreharbeiten setzt sich jemand hin und bearbeitet das Material im Sinne der Figur. Da solches Tun damals technisch noch gar nicht üblich (und kaum möglich) war (und da eine solche Retusche auch nicht die Aufgabe des Lichtsetzers ist), merkte ich, dass hier etwas nicht stimmen kann.
Der Satz hätte lauten müssen:

Um dem Gesicht der Schauspielerin zu schmeicheln, habe ich wie gewöhnlich das Bild nach der Figur des Films bearbeitet.

Wird das vorletzte Wort betont, bezeichnet das Wort „nach“ einen inhaltlichen statt eines zeitlichen Aspektes: der Beleuchter setzt sich in der Vorbereitung mit der Figur auseinander und gestaltet danach das Licht. Erst dann wird gedreht.

Forts. folgt

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