Die wiedergefundene Textstelle: Monolog der Trixie in „Paper Moon“

„Paper Moon“ ist eines der unbesungenen Meisterwerke des Kinos (darüber wird an dieser Stelle noch zu reden sein). Heute soll uns eine Szene aus diesem Road-Movie interessieren, in dem die Charakterkomikerin Madeline Kahn als Tingeltangel-Kokotte Trixie Delight auftritt. Sie versucht sich einen (anderen) kleinen Ganoven zu angeln, der mit seinem Wagen in den USA der Depressionszeit unterwegs ist. Damit erregt sie den Argwohn der verstörend frühreifen neunjährigen Addie, die sich ihm schon zuvor als Mitreisende angeschlossen hat.
Als die Reise nach einer kleinen Rast weitergehen soll, weigert sich die verärgerte Addie, zu den anderen in den Wagen zu steigen. Trixie redet unter vier Augen mit ihr: sie versucht auf die eine oder andere Art, das bockige Kind zur Räson zu bringen.
Ihr Monolog wird einer eisern schmollenden, schweigenden Zuhörerin gehalten, die mit dem Rücken zum Zuschauer sitzt.

(Trixie nähert sich Addie, die auf einem Hügel sitzt)

Hey, was ist denn los, Schätzchen? Dein Daddy sagt, du machst so ein trauriges Gesicht. Nun hör schon auf, traurig zu sein. Hey! Was hältst du von einem Malbuch? Wär‘ das nicht was? Vielleicht Micky Maus …?

(Trixie stolpert)

Oh, verdammte Scheiße! … (Albernes Lachen, um die Wut zu kaschieren). Komm runter ins Auto, und lass uns alle gute Freunde sein! Lächle mich mal an! Komm, du kannst doch auch so lächeln wie Tante Trixie! Mach schon! Komm runter ins Auto mit Madmaselle?

(Pause)

Kindchen, ich weiß ja, wie dir zumute ist. Lass mal, das geht vorüber! Du bist sicher eines schönen Tages genauso hübsch wie Madmaselle! Vielleicht hübscher. Du hast nämlich schon Muskelatur. Als ich so alt war, hatte ich noch keine Muskelatur. Hat mich Jahre gekostet, Muskelatur zu kriegen, und denk ja nicht, Muskelatur sei Nebensache!
Niemand hat daran gedacht, mich Madmaselle zu nennen, ehe ich siebzehn war und die erste Muskelatur kriegte. In deinem Alter war ich so dünn wie’n Laternenpfahl. Ich hab nie gedacht, dass mal hier was draus wird. Du kriegst auch mal sehr schöne …

(Pause)

Soll ich dir zeigen, wie man sich richtig zurechtmacht? Ich erlaube dir auch, meine Ohrringe zu tragen, komm doch her, und nimm sie dir! Ich werd‘ dir Make-Up für die Augen und die Lippen zeigen. Und ich besorg dir auch’n kleinen Büstenhalter oder sowas. (Plötzlich mit autoritärer Stimme) Aber jetzt solltest du gefälligst deinen kleinen Arsch lüften und in Bewegung setzen! Los, rein ins Auto, und lass die Schmollerei sein!

(Sie geht voraus, doch das Kind folgt ihr nicht. Trixie kehrt zurück.)

Du hast vor, mich rauszuekeln, hm? Hör zu, ich will dir bestimmt nichts nehmen. Wieso willst du mir dann unbedingt die Tour versauen? Ich spreche ganz offen mit dir, okay? Die Sache mit mir ist nur eine Frage der Zeit, Schatz. Ich kann nicht sagen, weshalb und warum. Es gelingt mir nicht, allzu lange an einem Mann zu hängen. Also warte eine Zeitlang, und dann ist es vorüber. Okay? Wann immer ich einen Mann mag, schaffe ich es auch mit Sicherheit, die Sache gründlich zu verpatzen.
Vielleicht krieg‘ ich auch ein paar neue Schuhe, ein nettes Kleid, ein bisschen Urlaub … Die Zeiten sind hart. Und wenn du nun weiter so hier herumsitzt, dann hast du nichts davon, ich hab nichts davon, und er hat nichts davon.
Bist du immer so hart, Engelchen?
Ist doch nur für eine Weile. Lass der alten Trixie doch noch mal den Vortritt mit ihren dicken Titten.

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Eine Antwort zu Die wiedergefundene Textstelle: Monolog der Trixie in „Paper Moon“

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