Die Marvels wie sie wirklich waren: Fantastic Four / Die Fantastischen Vier (5)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben. 

Die Fantastischen Vier auf dem deutschen Comicmarkt
von  Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/ (Fortsetzung vom 19.8.2019)

Teil III B
Fantastische Kürzungen, Formate und die Frage nach der inneren Kontinuität
Eine fantastische Chronologie in 47 Bänden
(Condor 1979-1996)

Noch ein kurzer Nachtrag: FV Album Nr. 1 hatte das passende Cover zu FF # 32 und Taschenbuch Nr. 2 das Titelbild von FF # 51. Die Story dazu erschien allerdings erst in Tb Nr. 9. In zwar knapper aber dennoch korrekter Übersetzung brachte Condor FF # 13 im Taschenbuch Nr. 3. Williams hatte in seiner Version in FV Nr. 11 den Red Ghost zum „Geist“ gemacht, seine russische Abstammung unerwähnt gelassen, und da die Mondlandung 1974 längst vollzogen war, wurde der Mond auf Reed Richards Karte zum „Mars“.

Irgendwie beschleicht einen immer das Gefühl, dass Condor zumindest in etwa wusste, was Williams nicht mehr veröffentlicht, bzw. nicht mehr eingekauft hatte. Es könnte durchaus sein, dass Biehler über Marvel USA an diese Daten kam und deshalb einige Nummern nach dem „Ende“ von Williams einsetzte. FF # 128 mit dem Abschluss des in Williams‘ FV Nr. 124 begonnenen Zweiteiler wurde bereits im letzten der Hit Comics mit dem „Superhelden“-Signet abgedruckt, während FF # 129 – 132 erst 1999 im Fantastischen-Vier-Schuber von Marvel Deutschland erschienen. Der Einstieg von Condor erfolgte 1980 mit FF # 133 in Marvel-Comic-Sonderheft Nr. 2 in ordentlicher Bearbeitung und einer Farbgebung erstaunlich nahe am Original, aufgrund der Drucktechnik doch um Klassen besser als die grobe US-Rasterung. Unverständlicherweise packte man als Zweitstory FF # 203 dazu, was nur insofern einen Sinn ergibt, als dass die Storys nur in geringem Maß der Marvel-Continuity unterliegen und deshalb problemlos einzeln veröffentlicht werden konnten. Die FF # 133-Gast- Zeichnerin Ramona Fradon (bei Condor: „Ramon Fradon“) dürfte dem einen oder anderen Sammler noch aus den Super-Comics „Metamorpho“ des bsv bekannt sein.

Die chronologische Fortsetzung erfolgte 1981 in FV Taschenbuch Nr. 5. Dort erschienen die Ausgaben FF # 134-141. Die Übersetzung ist formatbedingt etwas knapp gehalten und die Farbgebung ähnlich der US-Vorlage, wenn auch etwas heller. Keine schlechte Bearbeitung, wenn da nicht FF # 135 wäre. Abgesehen davon, dass die 3D-Brillen der Rock’n’Roller wegen der schwarzgefärbten Gläser nicht mehr als solche zu erkennen sind, enthält die deutsche Fassung eine Szene,  die in keinster Weise mit dem Original übereinstimmt. Anscheinend konnten die Leutchen bei Condor sich nicht zurückhalten und sahen sich gezwungen, die Gewalt aus diesem Comic zu eliminieren. Denn im Original bekommt Ben Grimm alias das Ding im fünften Panel der Seite 16 einen kräftigen Kinnhaken verpasst. Nicht so in der Taschenbuchausgabe, stattdessen kann man an dieser Stelle folgendes lesen:

„(Das ist mein) Sohn! Und wie du vielleicht verstehen wirst, Ben Grimm, habe ich großes Interesse daran, dass wir beide – mein Sohn und ich – noch einige Jahre leben! Dazu sind Energien erforderlich, die du dir nicht einmal vorstellen kannst! Und nur ein Genie wie ich ist in der Lage, eine Quelle zu finden, die uns mit der Kraft versorgt, die nötig ist, um unsere radioaktive Molekularstruktur vor dem endgültigen Zerfall zu bewahren! Darum, Ding, werdet ihr verschwinden! Für immer!“

Jeder, der in seinem Leben ein Marvelcomic gelesen hat, kann sich denken, dass so etwas nicht in der US-Ausgabe gestanden hat. Kein Superschurke haut einem Superhelden auf die Bauchdecke (hier nicht direkt sichtbar), um anschließend mit ihm über seine Absichten zu diskutieren. Außerdem fragt man sich, warum sich das Ding im darauffolgenden Bild die Nase bzw. das Kinn hält und warum um alles in der Welt die Hände seines Gegners Gregory Gideon rauchen. Auch scheint Ben Grimm Gleichgewichtsprobleme zu haben, da er sich ein Bild weiter an einer herumstehenden Gerätschaft festhalten muss. Die auf dem Boden liegenden Trümmer stammen vermutlich noch von der vorhergehenden Seite, auf der man das Ding quer durch den Raum fliegen sieht. Kommen wir also zum logischen Schluss, dass man (ähnlich wie bei geschnittenen Kinofilmen) zwar die Auswirkungen von Gewalt, nicht aber die Gewalt selbst darstellen durfte.

Positiv anzumerken ist, dass nicht wie bei Panini die Farbfilme einzelner Seiten vertauscht wurden. In der Fassung von 1999 hat Medusa an mehreren Stellen im Heft grüne Haare. Leider gab es bei Condor was Chronologie und Bearbeitung anbelangt, nicht allzu viel Freude. Das FF „Giant-Size“ # 2 erschien bereits im 3. Taschenbuch obwohl „Cataclysm!“ bzw. „Die Katastrophe“ inhaltlich nach dem 5. Taschenbuch spielt. Nach einer Lücke von mehreren Ausgaben folgten die beiden Storys aus FF # 150 in umgekehrter Reihenfolge in FV Album 6 und 7. Mehrere Storys wurden zusammenmontiert und erschienen in den Alben Nr. 2 – 4. Weiter ging es auf ähnliche Weise mit dem 6. Taschenbuch, dessen letzte Seiten ihre Fortsetzung in TB Nr. 4 finden. Nach einigen willkürlich herausgegriffenen Einzelepisoden konnten die Fans endlich aufatmen. Mit Ausnahme der Annuals erschienen die Abenteuer der Fantastischen Vier ab dem 11. Taschenbuch in chronologischer Reihenfolge. Inwieweit das mit dem Wechsel des Übersetzers zusammenhängt, sei dahingestellt. Klaus Strzyz war Hajo F. Breuers offizieller Nachfolger, der vorher ausgerechnet für die Zeitschrift „Comixene“ schrieb, deren Herausgeber Andreas C. Knigge mit Wolfgang M. Biehler und dem Condor Verlag auf Kriegsfuß stand. Zudem schien der Verlag sich Mitte der 80er neu orientieren zu wollen, da nicht nur der Übersetzer wechselte, sondern fast parallel auch mehrere von Condors großformatigen Reihen eingestellt wurden.

Strzyz‘ Ablösung jedenfalls war Michael Nagula, der 1989 mit FV Taschenbuch Nr. 26 bei Condor einstieg. Inoffiziell hatte Nagula schon vorher einige Episoden der Marvel-Helden für seinen Vorgänger übersetzt, was nicht im Impressum stand. Nagula führte das Programm in ähnlicher Weise fort und endlich erschienen auch die Annuals an der korrekten Stelle. „Ähnlich“ deshalb, weil die Originalchronologie beinahe korrekt eingehalten wurde, aber eben nur beinahe. Ein paar ausgelassene Episoden wurden in der Endphase nachgeholt, ebenso wie ein erneuter Abdruck der Entstehung der Fantastischen Vier aus FF # 1 in derselben Länge, wie sie Williams 1974 in FV Nr. 1 gebracht hatte, bevor die Taschenbuch-Reihe mit der Nr. 47 im September 1996 etwa gleichzeitig mit Hulk und den Rächern endgültig eingestellt wurde. Zum Abschluss brachte man die Einzelstory „Ruhe sanft, Reed Richards“ aus FF # 400. Den inhaltlich chronologischen Abschluss der Reihe bildete allerdings das auf den Seiten zuvor abgedruckte FF # 395. Panini setzte mit der Onslaught-Phase bei FF # 415/416 ein, um danach die „Heroes Reborn“ aus der Taufe zu heben.

FV_Essentials 1_SerbischVon einer Übersetzung der „Essentials“ – hier die serbische Ausgabe – können deutsche Fans nur träumen ...

Forts. folgt

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