Da ist sie wieder, die Dubarry

betr.: 100. Jahrestag der Öffnung des UFA-Palast am Zoo für das Berliner Publikum

Gestern vor hundert Jahren wurde der UFA-Palast am Zoo eröffnet, aber nur für 1740 der Oberen Zehntausend. Am Abend darauf durfte auch die Berliner Laufkundschaft „Madame Dubarry“ sehen, die Filmversion des bekannten historischen Operetten-Stoffs um die Mätresse König Ludwigs XV. Monate nach der Gründung der UFA war der festungsähnliche UFA-Palast am Zoo nun das würdige Premierenkino für deutsche Filmkunst – und das hatte damals wirklich etwas zu bedeuten. Selbst Hollywood sollte in den 20er Jahren gehörigen Respekt vor dem expressionistischen Stummfilm entwickeln. (In der Inflationszeit ließen sich Großproduktionen sehr günstig herstellen!) Der fruchtige Kostümfilm „Madame Dubarry“ spielte eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung.

Ernst Lubitsch, ursprünglich ein Berliner Schauspieler, hatte mit seinen ersten Arbeiten als Filmregisseur bereits lokale Berühmtheit erlangt – mit komödiantischen Stoffen, die sehr in seinem Kiez und Lebensgefühl verwurzelt waren. Mit „Carmen“ hatte er sich schon an einem tragischen exotischen Stoff versucht, das Revolutionsepos „Madame Dubarry“ (das die Kulissen leicht umfrisiert weiternutzte) setzte diesen weg fort. Das war kühn, denn schließlich hatte Frankreich die Deutschen soeben im ersten Weltkrieg geschlagen, und die alte Feindschaft war lebendiger denn je.
Es mag sein, dass Ernst Lubitsch schon ein wenig nach dem internationalen Markt geschielt hat, der in der Stummfilmzeit noch von keinerlei Sprachbarrieren versperrt wurde. In der Tat kam der Film ein Jahr darauf mit großem Erfolg als „Passion“ in den USA heraus.

Mme Dubarry100

Im UFA-Palast wurden nun künftige Klassiker uraufgeführt: „Der Golem“ (1920), „Die Nibelungen“ (1924), „Metropolis“ (1927) … Da hatten Lubitsch und seine Stars Pola Negri und Emil Jannings längst in Hollywood Karriere gemacht, und der Berliner Filmtempel zeigte auch internationale Produktionen. 1925 vergrößerte sich der Prachtbau mit seinem hufeisenförmigen, ansteigenden Rang und den lila-gold-farbenen Balkonen auf 2165 Sitzplätze.

1933 eroberten die Nationalsozialisten auch das deutsche Kulturleben und damit den UFA-Palast. Nur die wenigsten Propagandafilme waren als solche erkennbar („Triumph des Willens“, Premiere 1935). Das meiste waren Lustspiele zur Ablenkung (etwa „Es war eine rauschende Ballnacht“ oder „Die Feuerzangenbowle“), und selbst der heute notorische Hetzfilm „Jud Süß“ kam als Kostümdrama daher. Bald nach der Uraufführung der UFA-Jubiläumsproduktion „Münchhausen“ wurde das Filmtheater durch einen Bombentreffer fast völlig zerstört.
Nach dem Krieg wurden in der Ruine zwar weiterhin Filme gezeigt, doch in den 50er Jahren nahte die Abrissbirne.
An dieser historischen Stätte in der Gegend um den Breitscheidplatz entstand das Europa-Center, zu dem auch der 1957 eröffnete Zoo-Palast gehört. Seine Nutzung als Spielstätte der Berlinale war besonders glanzvoll, bis der Mauerfall den Potsdamer Platz zum neuen Hot Spot des Berliner Kinolebens machte.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Gesellschaft, Medienkunde abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert