Syd Field: Kochrezepte für Fressmaschinen

betr.: 5. Todestag von Syd Field

Wer heute eine gute Idee hat, der muss damit leben, einer Sache Vorschub zu leisten, die im Erfolgsfalle in eine schlimme Übertreibung münden wird, in ein Sequel, Prequel oder Plagiat, in eine Fortsetzung oder gar ein Franchise.
Syd Field ahnte davon noch nichts, als er 1984 „Das Handbuch zum Drehbuch“ schrieb, in dem er die Gesetzmäßigkeiten des filmischen Erzählens herausarbeitete. Vieles von dem, was er zusammentrug, nachdem er knapp 2000 Drehbücher lektoriert und abgelehnt hatte, ist schlüssig und einleuchtend und sogar unterhaltsam zu lesen, und manchem wird es seither bei der Arbeit geholfen haben. Aber das ist natürlich noch nicht Happy End der Geschichte, denn sowas gibt es bekanntlich nur im Kino.
Formeln und Rezepte verleiten rasch zu Unmäßigkeit, Trägheit und Missbrauch – vor allem, wenn sie nicht durch eigene praktische Erfahrung getrübt werden können. Fields pfiffiger Ratgeber fiel natürlich nicht nur Autoren, sondern auch Filmproduzenten und Redakteuren in die Hände. Und so beförderte er die ohnehin erbarmungslos fortschreitende Einmischung administrativer (und oftmals nichtkreativer) Beteiligter in die Arbeit der ihnen unterstellten Künstler.
Erkenntnisse wie die, dass „jede Figur“ ein „klares dramatisches Ziel“ brauche, oder dass es „ohne Konflikt keine Figuren, ohne Figuren keine Handlung“ gäbe, sind häufig widerlegt worden, doch das kann dem Dogma, das sich nun einmal um Fields Fibel gebildet hat, nichts mehr anhaben.

Nicht nur Field selbst schob, berauscht von seinem Erfolg, noch mehrere Fortsetzungen hinterher (siehe oben). Es fanden sich auch Nachahmer, von denen einer – Blake Snyder – noch Neues herausfand. Zunächst einmal verkürzte er die Dauer, die ein abendfüllender Film laut Field haben muss, von 120 Minuten (Fields Lieblingsfilm ist „Chinatown“, der noch etwas länger geraten ist) auf anderthalb Stunden und geht beim Umfang seines Buches mit gutem Beispiel voran. Er stellt fest, der Held müsse möglichst früh im Verlauf der Handlung etwas Gutes tun, um das Publikum für sich und seine Lage zu interessieren. Das ist in dieser Ausdrücklichkeit zwar Unfug, führte aber zu dem einprägsamen Buchtitel: „Rette die Katze!“.*
Als der ohnehin muffige Ralph Fiennes bei der Werbetour für seinen aktuellen Film „Nurejew“ auf Buch und Regel angesprochen wurde, hatte er gleich noch schlechtere Laune. (Offensichtlich mag er keine Katzen …)

In einer idealen Welt werden solche Anleitungen nicht allzu rigoros ausgelegt und nicht erst zur Hand genommen, wenn die ganze Schose völlig festgefahren ist.
Und Filme dauern dort nur 90 Minuten. Oder sie sind – wie „Chinatown“ – so gut, dass man ihnen ihre Überlänge nicht anmerkt. _______________________
* Eine weitere seiner Thesen findet sich unter  https://blog.montyarnold.com/2018/05/10/die-fidele-klapsmuehle/

Dieser Beitrag wurde unter Film, Medienkunde abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Syd Field: Kochrezepte für Fressmaschinen

  1. john sagt:

    Ich finde Syd Field´s Buch hilfreich, um das Handwerk der Drehbuchtechnik zu verstehen, sozusagen ein Einsteiger-Buch, aber auf keinen Fall eine Bibel oder dergleichen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert