Die Marvels wie sie wirklich waren: Jani Büsing – Übersetzerin (1)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier leicht aktualisiert wiederzugeben. 

Interview mit Jani Büsing
von  Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/

Dies ist einer der raren Artikel zum Thema Comic-Übersetzung, das – wenn überhaupt behandelt – allenfalls mit der vierdienten Barks- bzw. Disney-Übersetzerin Dr. Erika Fuchs verbunden wird.
Geht es um die Willams-Marvels, wäre hier zuallererst Hartmut Huff zu nennen, doch der verstarb zu früh, um noch in „Das sagte Nuff“ zu Wort zu kommen.
Jani Büsing hat hauptsächlich die Nicht-Marvel-Serien des Williams Verlags übersetzt. Dennoch gehen z.B. „Der Eiserne“ und „Die Fantastischen Vier“ auf ihr Konto.

Jani Büsing (ein Bild aus der Zeit des Interviews) mit einem ihrer Stamm-Helden. „Tarzan“ war ein Dauerbrenner bei Williams. Die über zehn Jahre anhaltende Produktion umfasste 209 Heftnummern, zwei Taschenbuchreihen, sowie diverse andere Nebenprodukte. Parallel lief der Tarzan-Ableger „Korak“ mit insgesamt 118 Heften.

Vor über dreißig Jahren begann ein in Alsdorf bei Aachen (später in Hamburg) ansässiger Verlag damit, Lizenzcomics aus den USA möglichst originalgetreu und in der Original-Reihenfolge ab der jeweiligen Nr. 1 herauszubringen. Was heute schon selbstverständlich erscheint, war zu diesem Zeitpunkt ein absolutes Novum. Andere Verlage veröffentlichten querbeet, was ihnen gerade unter die Finger kam, ohne sich um eine inhaltliche Chronologie zu kümmern. Hinzu kam, dass der „Williams Verlag“, wie er sich nannte, nach kurzer Zeit dazu überging, die Sprechblasentexte von Hand in die Vorlagen zu „lettern“. Dies war zwar nicht neu, doch Anfang der Siebziger Jahre mehr als unüblich, da nahezu alle Comicpublikationen „Druckschrift“ aufwiesen. Umso mehr erfreuen sich die Williams-Hefte noch heute einer ungeheuren Beliebtheit unter Sammlern und Fans, wobei Worte wie „Kult“ oder „Legende“ keine Seltenheit sind. So muss ein Sammler für ein Heft wie z.B. „Die Spinne“ Nr. 1 in sehr gutem Zustand inzwischen über 800 € hinblättern, während ein Superman-Comic desselben Jahrgangs vom damaligen Konkurrenten Ehapa (dessen Verkaufszahlen und Beliebtheit an den Kiosken sicherlich höher waren) bereits für 5 – 8 € zu haben ist. Besonders auffallend die Tatsache, dass die Preise für die Williams Marvel Horror-Comics „Die Gruft von Graf Dracula“ und „Das Monster von Frankenstein“ in den letzten Jahren enorm angezogen haben und die Einzelhefte in Bestzustand bei Preisen von 8 bis 80 € liegen.
Der einzige Verlag, der durch eine ähnlich liebevolle Bearbeitung auffiel, war erst Mitte der Neunziger Jahre der „Dino Verlag“, der oft mit der „Williams-Legende“ verglichen wird. Auch Dino setzte auf „Originalität“, veröffentlichte die Superhelden chronologisch und mit Sprechblasentexten im „Handlettering“. Kurioserweise erschienen nun die DC-Helden so, wie seinerzeit die Marvels bei Williams. Dennoch konnte seit 1979 kein anderer Verlag den Williams-Comics das Wasser reichen …

Daniel Wamsler: Frau Büsing, wie kamen Sie zu Williams?

Jani Büsing: Ich begann meinen Job bei Williams im Mai 1974. Trotz meines Fremdsprachenstudiums hatte ich zu Anfang das Gefühl, als müsste ich für die Arbeit in der Redaktion eine völlig neue Sprache lernen. Mit Hilfe eines American Slang-Lexikons und amerikanischen Freunden gelang mir das aber relativ schnell. Warum ich zu Williams ging? Nun, ich hatte einfach keine Lust, normale Durchschnittstexte in einem Durchschnittsbüro zu übersetzen. Das wäre damals die mögliche Alternative für mich gewesen.

Mit welchen Aufgaben waren sie betraut und wie ging die redaktionelle Arbeit vonstatten?

Als ich anfing, war der Williams Verlag mit seinen rund zwanzig Mitarbeitern noch ziemlich groß. Darunter war übrigens auch Herbert Feuerstein, den man heute aus Film und Fernsehen kennt. Er war für das deutsche „MAD“ zuständig, das er aus dem Amerikanischen übersetzte und durch eigene Beiträge ergänzte. Ich erinnere mich an ihn als einen Kollegen, der „live“ genauso skurril und sarkastisch war, wie man ihn aus seinen Auftritten im Fernsehen kennt. 1975 verkleinerte sich der Verlag auf vier fest angestellte und einige freie Mitarbeiter. Da ich zwei kleine Kinder hatte, bevorzugte ich es, als feste Freie von zu Hause aus weiterzuarbeiten. Ich übernahm zehn Titel, die ich monatlich für 300 D-Mark pro Stück übersetzte. Darunter waren u.a. „Horror“ – mein Lieblingstitel -, „Hulk“, „Die Grüne Laterne“, „Dick & Doof“, „Charlie Chaplin“, „Tarzan“ und „Korak“. An die anderen Titel erinnere ich mich nicht mehr. Handgelettert wurden die meisten Hefte von meinem damaligen Lebensgefährten Clemens Raschke, der auch heute noch in Hamburg wohnt.

Welcher leider die Angewohnheit hatte, die Sprechblasen seinem Text anzupassen, statt umgekehrt. Da waren des öfteren die Köpfe der Charaktere (u.a. bei den FV) durch die Blasen verdeckt. Aber Schwamm drüber. Das Handlettering war zu einer Zeit, als alle anderen Verlage Druckbuchstaben verwendeten, ein absolutes Highlight. Die ersten Williams-Titel waren ja auch noch nicht gelettert, weil es sich hauptsächlich um Titel der auslaufenden Hit Comics handelte. Wie kam die Produktion der Williams-Titel und wie erfolgte die „Übernahme“ des Bildschriftenverlags (bsv)?

Hierzu kann ich leider gar nicht viel sagen. Soviel ich weiß, hat bsv die Lizenzen für die Titel direkt vom US-Marvel-Konzern gekauft. Zunächst wurde in Alsdorf produziert, sprich übersetzt, gelettert, redaktionell überarbeitet, gesetzt, gedruckt und vertrieben. Da der Standort Hamburg aber deutlich attraktiver war, zog Klaus Recht um, kaufte die Lizenzen unter dem Namen Williams Verlag und produzierte mit einem neuen Team. Druck und Vertrieb erfolgten aber zunächst weiter ab Alsdorf. Später wurde auch in Italien und Spanien gedruckt.

Die liebevolle Aufmachung der Williams-Superhelden und deren chronologische Veröffentlichung war ein sehr mutiger und riskanter Schritt, da die Zeichnungen der frühen Episoden zum Großteil wesentlich schlechter und „ungeübt“ aussahen (was in den Leserbriefen auch oft bemängelt wurde). Dies spricht für ein enormes Engagement seitens des Verlags und lässt vermuten, dass die verantwortlichen Redakteure selbst Comicfans waren. Trifft dieseAnnahme zu?

Ich weiß nur von einem Redakteur, der auch ein echter Comic-Fan war, nämlich Hartmut Huff, der u.a die Spinne, die Rächer, den Hulk und die Fantastischen Vier übersetzt und redaktionell bearbeitet hat. Aber wenn man mit dieser Materie arbeitet, wird man im Laufe der Zeit ganz automatisch zum Comic-Fan. Die Herausforderung, möglichst echt in die vorgegebene Blase zu texten, macht einfach soviel Spaß, dass man anfängt, auch andere Comics zu lesen, um zu lernen und zu vergleichen.

Die Fans schätzen vor allem das in den Williams-Heften verwendete „Handlettering“. War dieser Schritt zu einer Zeit, in der alles maschinell gesetzt wurde, nicht auch riskant? Hatte die Umstellung auf das manuelle Lettern auch Kostengründe?

Es gab damals Untersuchungen in den USA, die ergeben hatten, dass das Handlettering deutlich besser ankam, als maschinell gesetzter Text. Das ergab sich u.a. aus den Verkaufszahlen. Zudem wirkte das Handlettering weitaus authentischer. Inwieweit Kostengründe eine Rolle spielten, kann ich nicht sagen.

Mit welchen redaktionellen Tätigkeiten waren sie noch betraut?

Als Klaus Recht 1976 die Lizenzen für die meisten Titel nicht mehr verlängern konnte, habe ich nur noch „Horror“ übersetzt. Außerdem arbeitete ich noch an einer Hundezeitschrift mit.

Wie waren die Kontakte zum US-Marvel-Konzern? Waren sie selbst vor Ort (in den Staaten), um Vorlagen zu beschaffen oder sich um die Produktion zu kümmern?

Der Marvel-Konzern war ausschließlich Lizenzgeber. Klaus Recht war natürlich zu Vertragsverhandlungen dort. Die Vorlagen kamen auf dem Versandweg. Die Produktionen für unseren Bereich, also den deutschen Markt, fanden nur in Deutschland statt.

Können sie etwas zur Leserstruktur sagen, wie wurden die Leserbriefe und Umfragen bei Williams ausgewertet?

Leserbriefe wurden von der Redaktion beantwortet und Aktionen wie Umfragen u.ä. ebenfalls von der Redaktion durchgeführt. Die Leserschaft bei den Superhelden-Comics setzte sich hauptsächlich aus Lesern zwischen 12 und 25 Jahren zusammen. Natürlich hatten wir auch jüngere und ältere Leser.

Parallel zu den Superheldencomics liefen bei Williams auch andere Projekte wie „MAD“ und „Kung Fu“. Waren sie daran ebenfalls beteiligt?

Wie schon gesagt, war ich hauptsächlich für „Horror“ und „Tarzan“ zuständig. Ich glaube, dass „Kung Fu“ ebenfalls von Hartmut Huff übersetzt wurde.

Gab es Serien, die sich schlecht verkaufen ließen?

Das kann ich nicht wirklich sagen. Ich hörte nur gelegentlich, dass „Dick und Doof“ und „Charlie Chaplin“ keine großen Renner seien.

Warum wechselte der Verlag seinen Namen kurzzeitig in „Klaus Recht GmbH“?

Soviel ich weiß, geschah das aus rechtlichen und steuerlichen Gründen, als sich der Verlag 1975 wesentlich verkleinerte.

Mit der „Verkleinerung“ der Mannschaft wurde im Gegenzug das Comic-Programm um mehrere Titel („Der Eiserne“ ,“Dr. Strange“ etc.) erweitert. Liefen die anderen Serien („Die Spinne“, „Die Fantastischen Vier“ …) so gut?

Der Grund war einfach, dass die Lizenzen für diese Titel frei wurden und Klaus Recht sie erwerben konnte.

Wie kam es dazu, dass Williams auch einen Titel der US-Konkurrenz „DC“ („Die grüne Laterne“ ) ins Programm aufnehmen konnte, obwohl die Rechte der DC-Helden doch beim Ehapa-Verlag lagen? Schließlich hatte es 1974 wegen des „Shazam!“-Hefts mit Superman auf dem Titelbild rechtliche Probleme gegeben.

Auch hier war der Grund, dass die Lizenzrechte frei waren.

In den frühen Marvel Comics kamen die Sowjetrussen (Reds) und die Deutschen (Nazis) oftmals schlecht weg. Bei den entsprechenden deutschen Ausgaben wurde der Handlungsort in einen Fantasiestaat verlegt und typische Uniformen umgezeichnet und Symbole retuschiert. Was waren die Beweggründe für diese teils umständlichen Eingriffe? (Ein Beispiel wäre der in fast allen Marvel-Serien auftauchende Bösewicht Doctor Doom, der mitsamt seinem Staat „Latveria“ von den „Bayerischen Alpen“ wegziehen musste und so seine deutsche Herkunft verschwiegen wurde.)

Ich denke, da liegt die Antwort auf der Hand: Warum sollten in Deutschland schon antideutsche Comics herausgebracht werden?

Einige Titelbilder wurden komplett neugezeichnet. Waren die Vorlagen so schlecht oder gab es andere Gründe (da dieselben Cover bei bsv als Hit Comics mit den Originalzeichnungen erschienen waren)?

Das wäre eine Frage an den Verleger und an Hartmut Huff. Der müsste das auch wissen. Allerdings weiß ich nicht, wo er heute lebt. Die Kirsten Isele hatte noch lange Kontakt mit ihm, und müsste Ihnen das sagen können.

Dieser Beitrag wurde unter Comic, Marvel, Übersetzung und Adaption abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Die Marvels wie sie wirklich waren: Jani Büsing – Übersetzerin (1)

  1. Pingback: Die Marvels wie sie wirklich waren - Übersicht - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert