Die Marvels wie sie wirklich waren: Steve Ditko (1)

Der erste Satz des im Folgenden „nachgedruckten“ Artikels aus der Nr. 6 des Fanzines „Das sagte Nuff“ ist überholt, denn seither ist einiges über seinen Gegenstand veröffentlicht worden, z.B. eine Biographie, die rasch vergriffen war und die im folgenden Text noch sehnsüchtig erwartet wird. „Strange & Stranger: The World Of Steve Ditko“ trug maßgeblich zur Titelstory der „Sprechblase“ Nr. 239 bei, die leider zu einem Nachruf geriet. Er wurde länger als geplant, blieb aber bisher ohne Fortsetzung.
Ansonsten stimmt noch immer, was Daniel Wamsler damals über den visionären Zeichner zusammengetragen hat.

Steve Ditko – Der Mann im Hintergrund
von  Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/

Viel ist nicht bekannt, über den Mann, der Charakteren wie Spider-Man, Doctor Octopus, Dr. Strange, Electro, Kraven, Echse, Mysterio, Sandman, Skorpion und dem Geier ihr Aussehen gab.
Als Sohn slawischer US-Immigranten wuchs er in Johnstown, Pennsylvania auf. Steve Ditkos Comic-Karriere begann 1953 im Alter von sechsundzwanzig Jahren. Bereits während seiner Militärzeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte er von Deutschland aus, wo er stationiert war, Briefe in Comicform an seine Eltern geschickt. Nach seiner Rückkehr in die USA begann er sein Studium an der “School Of Visual Arts” (damals noch “The Cartoonists And Illustrators School”) in New York. Ditko arbeitete für mehrere Verlage gleichzeitig, darunter auch Harvey Comics und Charlton. Charlton blieb Ditko bis zum bitteren Verlags-Aus ihm Jahr 1986 treu. Seine Spezialität waren Science Fiction- und Mystery-Storys, deren Charakteren er stets eine gewisse Zerbrechlichkeit einzuhauchen vermochte. Kein Wunder also, dass er alsbald auch für den Verlag Timely bzw. Atlas, aus dem später die Marvel Comics Group hervorgehen sollte, engagiert wurde.

Die Comics jener Zeit waren einfach gestrickt. Stan Lee und Jack Kirby entwarfen ein Monster mit gruselig klingendem Namen für die Hauptstory und das Titelbild, die restlichen Seiten wurden mit kurzen Reißern mit unerwartetem Ende aufgefüllt. Zeichner waren meist Don Heck, Paul Reinman, Larry Lieber und Joe Sinnott. Steve Ditkos erste Arbeit für Marvel erschien mit Coverdatum vom April 1956 in „Journey Into Mystery“ # 33. Von da ab lieferte er Beiträge für fast alle Titel, z.B. „Strange Tales“, „Amazing Adventures“, „Tales Of Suspense“ und „Tales To Astonish“.Mit der siebten Ausgabe von „Amazing Adventures“änderte sich der Titel in „Amazing Adult Fantasy“. Als Anfang der Sechziger Jahre das Superhelden-Revival startete, musste auch Steve Ditko dafür herhalten. Seine Hauptaufgabe blieb der aus „Amazing Fantasy“hervorgegangene „Amazing Spider-Man“. Nebenbei zeichnete er aber auch Storys für „Hulk“ (Incredible Hulk # 2, 6, TTA#  61 – 67), „Fantastic Four“ (als Inker von FF # 13 – 14 und FF Annual # 1) und „Iron Man“ (ToS # 47-49).

„Meine Arbeit spricht für sich selbst!“war stets Steve Ditkos Motto, weshalb es kaum Interviews mit ihm – und Fotos von ihm existieren, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Selbst auf die Anfrage von Jon B. Cooke für die Charlton-Spezialausgabe des Magazins „Comic Book Artist“. (# 12 vom März 2001) reagierte Ditko negativ. Ditko-Spezialist Blake Bell hingegen, arbeitet seit Jahren an einem mit Spannung erwarteten Sekundärwerk über den Zeichner, dessen Veröffentlichung in nicht allzu weiter Ferne liegen dürfte. Mehr Info dazu findet sich auf Blake Bells Homepage www.ditko.comics.org im Internet.

Eine von Steve Ditkos frühen Arbeiten für Marvel aus „Amazing Adult Fantasy“ # 11.

Marvellous Years

Neben Jack Kirby war Steve Ditko binnen kürzester Zeit der meistbeschäftigte Zeichner für die sogenannten Anthologie-Reihen im Hause Marvel (bzw. Atlas). Während Kirby für die siebenseitigen Hauptstorys mit gewaltigen, überdimensionalen Monstern herangezogen wurde, standen bei Ditkos Arbeiten die leiseren Töne im Vordergrund. Seine Fünfseiter beschäftigten sich mit ungeklärten Phänomenen, Angst und Übersinnlichem. Mittelpunkt der Handlung waren nicht Monster, sondern der Mensch an sich. Zusammen mit Stan Lee kreierte Ditko unzählige Kurzgeschichten, deren unnachahmliches Flair von keinem anderen Autor-/Zeichnerteam je wieder derart eingefangen werden konnte. Mit „Amazing Fantasy“ # 15 wechselte Ditko, vermutlich ohne es zu wollen, ins Superhelden-Genre. Die Verkaufszahlen dieses ersten „Ausflugs“ zeigten unmissverständlich, dass die lesende Kundschaft nach „mehr“ verlangte. Dem Zeichner gelang es, Peter Parker menschlich zu machen. Vergleicht man „Amazing Spider-Man“ mit den frühen Lee/Ditko-Kurzgeschichten, offenbart sich die Weiterentwicklung. Die Unterschiede des Grundkonzepts sind dabei marginal. Lee und Ditko folgten lediglich dem Markt und konzentrierten sich fortan auf eine einzige, bestimmte Figur, mit der sich die Leser identifizieren konnten.

“The Iron Warrior” aus „Strange Tales“ # 108 präsentiert eine der beeindruckendsten Steve Ditko-Eröffnungsseiten.

Seine mystisch-okkulte Ader konnte Steve Ditko in den „Dr. Strange“-Geschichten voll ausleben und entfalten. Diese war seit jeher in seinen Storys, vor allem bei den Marvel-Fünfseitern, präsent. Der Unterschied bestand darin, dass nicht für jede Ausgabe neue (Haupt-)Charaktere erfunden werden mussten. Das verlieh den Comics Kontinuität. Der Leser konnte sich so noch besser mit den Figuren und deren sich aufbauendem Kosmos identifizieren, was ihn gleichzeitig heiß auf die folgende Ausgabe machte. Für Dr. Strange und Spider-Man schuf Steve Ditko (zusammen mit Stan Lee) eine eigene Welt voller Nebencharaktere und Widersacher. Auch wenn die Ideen nicht alleine von Ditko kamen, so gab er den Figuren doch ihr Gesicht bzw. ihre Gestalt. Der Zeichner schöpfte aus dem Vollen, so dass Plotbesprechungen im Vorfeld immer knapper wurden oder gar nicht mehr stattfanden. Stan Lee schien langsam aber sicher das Ruder zu entgleiten. Das gefiel dem Herausgeber gar nicht. Als Lee schließlich versuchte, wieder mehr Einfluss zu nehmen, kam es zu Eklat, welcher letztlich zur Trennung führte. Angeblich war der Auslöser die Identität des „Grünen Kobold“ gewesen. Als Ditko seinen Dienst bei Marvel quittierte (oder quittieren musste), hatte Stan Lee längst John Romita als Zeichnerersatz für „Spider-Man“ in der Hinterhand. Ditkos letztes Heft war ASM # 38 (siehe auch „Spinne“ Williams Nr. 2), dessen Cover aus Zeichnungen aus dem Inhalt zusammengesetzt wurde. Es ist anzunehmen, dass Ditko kein separates Titelbild mehr angefertigt hatte …

Dr. Stranges erster Einsatz (Strange Tales # 110) erschien in Deutschland erstmals bei Williams in „Dr. Strange“ Nr. 4. “Das Ende des Universums” aus „Tales Of Suspense“ # 41 brachte Williams in „Hulk“ Nr. 24.
„Amazing Fantasy“ # 16 war bereits druckfertig, als die Serie definitiv eingestellt wurde. Laut diesem Redaktionstext aus AF # 15 sollte Spider-Man noch öfter in „Amazing“ auftauchen. Aus dem bisherigen Titel hatte man das „Adult“ entfernt, um ein jüngeres Publikum anzusprechen. Nach der Einstellung und dem Bekanntwerden der fantastischen Verkaufszahlen dieser Abschlussnummer, übernahm Marvel die zweite Spidey-Story und das Adjektiv aus dem Hefttitel für „Amazing Spider-Man“ # 1.
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