Richard Kummerfeldt – An den Rändern der Traumfabrik (26)

Diesen Bericht seiner späten Aktivitäten als freier Filmmusikproduzent verfasste Richard Kummerfeldt im Exil in Südamerika für ein (deutsches?) Fachmagazin bzw. einen gewissen John. Es gewährt Einblicke in die letzten Jahre der Tonträgerindustrie vor deren Verschlafen der digitalen Revolution, in die Welt der käuflichen Filmmusik, die Seele des Sammlers (heute „Nerd“), die Finessen des sich wandelnden Urheberrechts und erzählt von der Arbeit mit schwierigen Bürohengsten und Künstlerpersönlichkeiten Mitte der 90er Jahre.

Jura für Soundtrack-Nerds

Hatte sich die internationale Anwaltszunft zunächst zurückgehalten (vermutlich da die Rechtslage bei den alten Plattentiteln nicht eindeutig zu klären war), quoll nun an manchen Tagen das Fax über. Da meldeten sich im Auftrag der Filmstudios Anwaltskanzleien aus Los Angeles, New York, London, Paris, Berlin und weniger malerischen Orten. Ich gab alles an Herrn Kukuk weiter und hörte nichts mehr von ihnen, auch nicht von den Studios. Es kam niemals zu einer Anzeige, geschweige denn zu einem Verfahren. TK hatte eines Tages die Idee, die Disney-Box (waren es drei oder vier LPs?) auf CD zu veröffentlichen. Eine Superidee. Mickey & Co. verkaufen sich immer, und ein solcher Titel würde uns andere Märkte erschließen. Unser Graphiker gab zu bedenken, dass er keine der Disney-Figuren benutzen konnte. Machte nichts, nahmen wir halt Luftballons! Aber Wolfgangs Worte hallten in meinen Ohren nach.

Ich befragte Herrn Kukuk. Nach der 5. oder 6. Expertise gleichen Wortlauts (in die der jeweils angefragte Titel eingesetzt wurde) war ich mit Herrn Kukuk so verblieben, dass ich ihn nicht mehr für jeden Titel einzeln bezahlen, sondern ihm ein vierteljährliches Honorar zahlen würde, egal ob er aktiv werden sollte oder nicht. Damit erklärte er sich einverstanden.
In diesem Falle war seine Antwort kurz und bündig: Finger weg von diesem Plan!
Und er erklärte auch, warum. Die Anwälte der Disney-Studios waren bestens mit den Urheberrechtsgesetzen auf der ganzen Welt vertraut. Ständig wurden irgendwo irgendwelche Mickymäuse ungefragt in der Werbung benutzt, und im Lauf der Jahre hatten sie eine Strategie entwickelt. Sie klagten, auch wenn der Prozess nicht zu gewinnen war. Verloren sie wie vorausgesehen, klagten sie in der nächsten Instanz weiter und erhöhten dabei den anfänglichen Streitwert (Standard: 1.000.000 $). Die Anwalts- und Gerichtskosten von Kläger und Beklagtem richten sich nun einmal nach dem Streitwert. Das Klagen bis in die letztmögliche Instanz hatte für den Konzern folgenden Vorteil: solange das Verfahren lief, durfte der Artikel nicht verkauft werden, und die Gerichtskosten machten jedem Mäuse- oder Entendieb den Garaus.
Clever, clever! Wir ließen den Plan fallen. Unsere Spielwiese war auch ohne Disney groß genug. Wir machten also mit TSU und TCI weiter wie gehabt.

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