Gender Studies

Wer hässlich ist, ist klar im Vorteil. Jedenfalls im Komikerberuf. Jede ästhetische Abweichung kann den Boden für eine Pointe bereiten, denn Humor basiert fast immer auf Schadenfreude (oder – weitaus seltener – auf der Überraschung darüber, dass sich jemand geschickt aus einem Missgeschick herausgewunden hat).
Das mag einer der Gründe dafür sein, dass es so viel weniger weibliche als männliche Komiker gibt. Die zuletzt sprunghaft gestiegene Zahl der Comediennes in unserem Land beruht meist auf ihrem Material oder auf einer Missachtung optischer oder soziologischer Erwartungen an das schöne Geschlecht. Die präsentesten weiblichen Comedians pflegen in ihren Sketch-Formaten in der Regel außerdem aufwändige Verkleidungen.
Aus sich heraus komisch waren schöne Frauen selten. Die Heldinnen der amerikanischen Screwball Comedy etwa waren attraktive Schauspielerinnen mit guten Dialogen (diese Dialoge erfüllten einen ähnlichen Zweck der Ablenkung wie es heute die erwähnten Masken und Kostüme tun). Weitaus auffälliger waren ihre schrägeren oder molligeren Kolleginnen bzw. die typischen „komischen Alten“.

Im männlichen Lager der Komiker, Komödianten oder der Kombination aus beidem spielte die Attraktivität keine erkennbare Rolle. Beides bestand nebeneinander. Zwar trennten sich die Marx Brothers von ihrem hübschesten Bruder, als sie sich von vier auf drei verkleinerten, aber auffallend viele Komiker sahen gut aus: Danny Kaye, Stan Laurel, Jerry Lewis, Jack Lemmon. Die beiden größten Solisten der Stummfilmzeit (der Blütezeit der Slapstick Comedy) waren gar zwei der schönsten Männer Hollywoods: Buster Keaton und Charles Chaplin.
Daraus folgt eine Regel, mit der Cadwiller Olden regelmäßig Schwung in müde Künstlerparties brachte: „Frauen sind nicht komisch. Punkt!“ In „Transvestit spielt Hosenrolle“ berichtet er, er habe diese Provokation allerdings nur gewagt, wenn ihm die Wertschätzung der Anwesenden egal war oder er auf die Spitzfindigkeit aller Anwesenden vertrauen konnte.
Heute – in den Tagen der restlos entfesselten PC – wäre es ihm auch dann nicht zu raten, mit solchen Texten zu arbeiten.

Es ist ein Treppenwitz, dass in unseren Zeiten, da sich das männliche Geschlecht im peinlichsten selbstverordneten Zustand seit der Zeit des Wilhelminismus befindet, über genau dieses Problem nicht stichhaltig geblödelt werden darf. Denn das wäre nicht möglich, ohne auch den weiblichen Gegenpol zu behandeln. Und dies wiederum wäre überaus ungesund. Und keine männliche Hand würde sich rühren, die erregte Horde aufzuhalten.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vicit“.

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