Philosophischer Suspense

betr.: der Roman „Maschinen wie ich“ von Ian McEwan

„Maschinen wie ich“ wird dem selbstgestellten philosophischen Anspruch auf unbeschwerte Weise gerecht, ist wendungsreich und hat zur uralten Frage, ob Maschinen eines Tages zu Gefühlen fähig sein könnten, tatsächlich ein paar frische Variationen auf Lager. Diese drei Elemente werden in so schwereloser Balance gehalten, dass  eine weitere Entscheidung umso ärgerlicher ist. McEwan traut sich nicht, den Zeitpunkt der Geschichte in die (unmittelbare) Zukunft zu verlegen oder einfach offen zu lassen (wie es erfahrene SF-Autoren schon hinreichend vorexerziert haben). Die Handlung spielt – warum, das weiß der Himmel – in der Zeit des Falkland-Krieges, also in den frühen 80er Jahren, die dann einen veränderten Fortgang nehmen. Die regelmäßigen Hinweise darauf bremsen die Handlung regelmäßig aus. Leider hat der Autor zu diesem Aspekt aber gar nichts zu sagen. Er kombiniert Tony Blair (den er ein wenig umtauft und historisch vorverlegt) mit Zügen Boris Johnsons und schenkt Jimmy Carter eine zweite Amtszeit. Das Traurigste an dieser dramaturgischen Formalität ist, dass McEwan seine Virtuosität hier regelmäßig verlässt. Er stülpt den Figuren die Mentalität der frühen 2000er, ihre gesellschaftspoltische Verfasstheit und unseren heutigen technischen Standard (Internet, Laptops, Handies …) über und entschädigt uns am Rande mit Witzchen wie einem aktuellen Beatles-Album oder dem Hinweis, dass John F. Kennedy das Attentat überlebt hat. Der Autor macht sich nicht einmal die Mühe, den Namen „EU“ auf „EWG“ rückzudatieren. Das wirkt im Vergleich zum zwischenmenschlichen Pianissimo des restlichen Textes so schlampig, als habe ein Dritter darin herumgeschmiert.
Wer die betreffenden Passagen überfliegt, den erwartet ein außerordentliches Vergnügen.

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