Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (14): „Das Experiment“

„Das Experiment“ von Eva Maria Mudrich, Produktion: NDR/SFB 1973 (51 min.) – Credits unter https://krimikiosk.blogspot.com/2012/09/das-experiment-krimi-horspiel-aus-1973.html

„Die Ereignisse tragen alle Merkmale eines Verbrechens. Ein Mord ist geschehen, oder zumindest Beihilfe zum Selbstmord. Doch handelt es sich wirklich um einen Kriminalfall? Bloß um einen Kriminalfall? Könnte nicht Schrecklicheres aufgedeckt werden als ein Verbrechen?“

Zwei ältere Herren treffen sich regelmäßig zum Schachspielen. Einer der beiden hat sich sagen lassen, das menschliche Gehirn arbeite nach dem Eintreten des Todes noch minutenlang weiter. Dass er bei sich und seinem Spielpartner nach all den Jahren eine Vertrautheit bemerkt, die schon an Gedankenübertragung grenzt, bringt ihn auf eine kühne Idee. Wäre es nicht aufschlussreich, wenn einer dem anderen beim Sterben „zuhören“ könnte? Was würde der von der anderen Seite zu berichten haben, ehe er endgültig dorthin verschwindet. Der Spielpartner ist zunächst entsetzt über diesen grotesken Vorschlag, doch dann beginnt er, darüber nachzudenken …

Solange es Hörspiele gibt, waltet auch die grässliche Unsitte, essende und trinkende Menschen übertrieben laut schmatzen, schlürfen, herunterwürgen und glucksen zu lassen, um sicherzugehen, dass sie vom begriffsstutzigen Zuhörer auch wirklich als essende und trinkend wahrgenommen werden. Das ist nicht nur unappetitlich, es ist auch erzählerisch plump – besonders unter der Regie eines Hörspiel-Großmeisters wie Fritz Schröder-Jahn. Außerdem passt solches Betragen zu einem Großteil der Charaktere einfach nicht, so auch zu den beiden kultivierten Pensionären, denen wir in dieser Geschichte minutenlang beim Weinverzehr zuhören müssen.
Die übrigen Schrullen dieser Inszenierung haben aber durchaus Charme, zum Beispiel ihre bürokratische Struktur. Das Geschehen wird nicht linear erzählt, sondern in sich verschachtelnde amtsdeutsche Protokolle verpackt. Immer neue Beteiligte tragen ihre Blickwinkel bei, die von einem „Tagesschau“-Sprecher zu einem Kammerspiel geordnet werden.

Neben der eingebauten Frage, ob es sich hier um einen Krimi bzw. Kriminalfall handelt bleibt vieles offen, ungeklärt, ungesagt. „Das Experiment“ ist ein idealer Hörspiel-Stoff, da eines seiner letzten Geheimnisse nur auf Tonband festgehalten ist. Gemeinsam mit den handelnden Personen lauschen wir in die Dunkelheit und können nur raten, wie es sich genau zugetragen hat.
Wenn Michael Haneke dieses Werk jemals zu Ohren kommt, wird er sicher den Drang verspüren, sich auch in diesen Medium zu betätigen!

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