Geschichte des Komiker-Handwerks (23)

Fortsetzung vom 30. Mai 2020

New Wave Comedy

Unterdessen fand der Typus des Stand-Up Comedians zu seiner uns noch heute vertrauten Form. Als Stadtgewächs und Geschöpf der Subkultur war er der Touristen- und Familienunterhaltung nicht länger verpflichtet und legte einen härteren Gang ein. Er kleidete sich leger, stand oder saß lässig herum und bemühte sich auch sonst, die Bühne als Teil seines Wohnzimmers auszugeben. Warum auch nicht? Er sprach schließlich nicht mehr zu „Ladies and Gentlemen“, sondern zu „Folks“ oder „Guys“.
Der Habitus der alten New Humor-Generation* musste im Vergleich mit diesen rotzigen Selbstdarstellern förmlich und onkelhaft wirken. Die brachten weniger durchstrukturierte Monologe, sondern schilderten viele skurrile Situationen. Sie schrieben ihr Material üblicherweise selbst (anstatt Gagschreiber zu beschäftigen wie ihre älteren Kollegen), verarbeiteten eigene Alltagserfahrungen und bezogen das, was sie da erzählten, stets auf die Kunstfigur, die sie aus sich heraus entwickelt hatten und mit der sie sich (namentlich) identifizieren ließen.
Das breite Spektrum der neuen Strömung erlaubte unterschiedlichsten Charakteren, sich zu etablieren: spinnerte und intellektuelle Typen, Träumer und Kämpfer, den Schöngeist wie den Bürgerschreck.

Einer von ihnen war der pausbackige Jonathan Winters, der als Schauspieler später nicht nur in satirischen, sondern auch in hochdramatischen Kinofilmen zum Einsatz kam. Er beschrieb die feine Linie zwischen seiner Person und seiner Persona einmal so: „God is in my mind and the devil’s in my pants.“

Der Tabubruch wurde zur Norm, und ein Pendel setzte sich in Bewegung, das seither (mit zunehmend ermüdender Vorhersehbarkeit) artig in die eine oder andere Richtung ausschlägt. In den 50er Jahren freilich war diese Opposition so frisch und relevant, dass sie für allgemeine Empörung sorgen konnte.
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* Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch mokierte sich in persönlichen Gesprächen gern über die Einfallslosigkeit der Historiker, jede neue Strömung auch rückblickend als „neu“ zu bezeichnen: „Ich höre immer ‚Neuzeit‘. Was soll denn danach kommen?“

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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