Ennio Morricone – Unsinn zur guten Nacht

Eine Gegendarstellung

Heute nacht gab es in meinem bevorzugten Kulturmagazin im Radio eine Würdigung des verstorbenen italienischen Filmmusik-Meisters Ennio Morricone. Ein „Spezialist“ für Filmmusik wurde telefonisch befragt. Auf die Frage, was denn Morricone neu und anders gemacht habe als seine Vorgänger, meinte der Befragte, bisher sei es in der Filmmusik immer so gewesen, dass der Soundtrack mehr oder weniger durchkomponiert gewesen sei. Morricone habe innovativerweise auch Pausen zugelassen, Momente ohne Filmmusik.
Das ist Unfug. Im frühen Tonfilm gab es – schon aus technischen Gründen – zunächst nur sehr wenig Filmmusik nach dem Ende des Vorspanns. In den 30er Jahren – der Blütezeit des spätromantischen Soundtracks – wurde gerne mit einem ausführlichen Underscoring gearbeitet, das teilweise sogar die Mimik und Gestik der handelnden Personen illustrierte. Aber das war eine kurze Phase, und schon da spielte das Orchester nicht durchgehend. Solches geschah nur in Ausnahmefällen (z.B. im Ballettfilm).
Weiter fragte man den „Fachmann“, was das Besondere an Morricones Stil gewesen sei, und die Antwort lautete sinngemäß, Morricone sei der erste gewesen, der mit großen Melodien gearbeitet habe. Das ist eine ärgerliche Falschdarstellung, wie schon der Blick in den Kalender beweist: Morricones erste (noch unbedeutende) Arbeiten datieren vom Anfang der 60er Jahre – da blühte bereits die Ära des Filmsongs, und eine ganze Generation von melodisch überaus verdienstvollen Musikern war bereits abgetreten.
Selbst wenn dem nicht so wäre: die Leitungen des Verstorbenen liegen jenseits solch bürokratischer Fußnoten.
Schließlich meinte der Befragte noch, heute würde ja in der Filmmusik nicht mehr so melodisch gearbeitet (womit er ausnahmsweise recht hatte), obwohl das die Kollegen sicher alle gern täten.
Na denn, Leute – lasst euch nicht aufhalten!

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