Warum es so schwer ist, H. P. Lovecraft zu verfilmen

betr.: 130. Geburtstag von H. P. Lovecraft

Nachdem der verdiente literarische Pionier H. P. Lovecraft (1890-1937) in den letzten Jahren den Aufstieg aus der Schund-Ecke in die bibliophile Schmuck-Ausgabe geschafft hat*, mehren sich medienübergreifend die Adaptionen. Die neueste filmische Präsentation seines meistverfilmten Stoffes „The Color Out Of Space“ ist gerade in unterschiedlicher Aufmachung zu haben (siehe Abbildung), mehrere Comics bzw. Graphic Novels wurden vorgelegt**, und eine Horrorserie führt ihn als Paten ihres Schauplatzes im Titel. Ach ja – die erwähnte Pracht-Ausgabe im Buchhandel war im Nu vergriffen, und die zweite Auflage gleich 12 Euro teurer.
All das würde Meister Lovecraft unzweifelhaft freuen, denn er hat seine jüngeren Kollegen stets eifrig ermuntert, seine Arbeit (seinen Kosmos) nachzuerzählen und fortzuspinnen.

In der erzählerischen Dürre-Periode, die Hollywood seit der Jahrtausendwende durchlebt, wird es demnächst unzweifelhaft zu einer Vielzahl von Lovecraft-Verfilmungen kommen. Warum gibt es sie nicht längst?
Das hat mindestens drei Gründe …

Zunächst einmal weil es bei Lovecraft praktisch keine Frauenrollen gibt. – Okay, das lässt sich beheben.

Weiterhin weil der adaptierende Autor in der Lage sein muss, gute Dialoge zu schreiben, denn bei Lovecraft gibt es höchst selten wörtliche Rede, in einigen seiner Erzählungen kommt gar keine vor. Da Literaturverfilmungen erfahrungsgemäß davon profitieren, sich wortwörtlich bei ihrer Vorlage bedienen zu dürfen, fällt uns die Schmucklosigkeit der Sprache auf die Füße, die im Blockbuster-Kino unserer Jahre gepflegt wird. Dessen Drehbücher werden nicht mehr von kreativen Individuen verfasst, sondern in Konferenzen der beteiligten Geldgeber beschlossen und wieder zerredet. (Das mag der Hauptgrund dafür sein, dass das Kino im Vergleich zur Serie gegenwärtig so alt aussieht und klingt.)

Die dritte Schwierigkeit ist ein Fluch, der sich aus dem Segen des technischen Fortschritts ergibt. Dieser bringt es mit sich, dass man heute praktisch alles in Bilder umsetzen kann, was bei Lovecraft an Schauerlichem beschrieben wird – und der Text ist da überaus präzise. Bekanntlich will die menschliche Fantasie aber auch noch etwas zu tun haben, und es hat sich häufig nicht bewährt, allzuviel zu zeigen.

Doch grundsätzlich gilt: Lovecraft ist verfilmbar. Dass es schon früher so war, belegen selbst die Fehlschläge.
Nehmen wir als Beispiel eine ältere Verfilmung der eingangs erwähnten „Farbe aus dem All“. „Das Grauen auf Schloss Whitley“ (1965) geht mit der Vorlage sehr freimütig um. Spaß macht das Werk wegen Boris Karloff, dessen grandioses Gesicht allein sein Geld wert ist. Doch der Film hätte viel besser funktioniert, wenn man sich an die Vorlage gehalten hätte. Nicht nur, weil die Geschichte dort schlüssiger ist, sie hätte sich auch tricktechnisch viel überzeugender erzählen lassen als all der Genre-Mumpitz mit dem Horror-Labor im Keller.
Die beiden besten mir bekannten Lovecraft-Verfilmungen entstanden Anfang der 70er Jahre für die TV-Serie „Night Gallery“***, die ohnehin einige Meisterleistungen des Horrorfilms im Kurzformat bereithält. „Cool Air“ ist besonders gelungen. Behutsam wird der Geschichte ein romantisches Element beigegeben – und es funktioniert!
Es könnte also noch richtig lustig werden im Kino des H. P. Lovecraft.

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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2018/03/15/aus-der-finsternis/
** Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2015/08/20/o-schrecken-schrecken/
*** Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2020/04/28/class-of-99/

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