Seinfeld – Ein deutsches Mißverständnis? (2)

betr.: Deutsche Synchronisation und Rezeption der Serie „Seinfeld“

Fortsetzung vom 23.9.2020

Über der deutschen Übersetzung von „Seinfeld“ schwebte ein abschreckendes Beispiel. Die Synchronisation der Sitcom „Cheers“ (1982-93) war als gutgemeinte Verfremdung unter dem Titel „Prost, Helmut!“ („im Auftrag des ZDF“) ein fürchterlicher Flop gewesen. RTL besorgte eine neue Eindeutschung und konnte den Erfolg des Originals einigermaßen mitnehmen.
Mit „Seinfeld“ wurde das Studio von Rainer Brandt beauftragt. Der Mann war legendär seit er 1972 aus der konventionellen britischen Krimiserie „The Persuaders“ (1971-72) den unsterblichen Blödel-Hit „Die Zwei“ gemacht hatte. Eine solche völlige Neuerfindung kam bei „Seinfeld“ natürlich nicht in Frage, doch Brandt hatte sich auch in werkegetreuer Klamotte bewährt: der Renner „The Odd Couple“ (1970-75) war auch als „Männerwirtschaft“ ein großer Spaß. Doch selbst hier nahm sich Brandt noch gewisse künstlerische Freiheiten – Freiheiten, die sich nehmen muss, wer Humor übersetzen will (denn das bedeutet meistenteils, witzige Texte im Sinne der Vorlage zu erfinden). Freiheiten, an die 20 Jahre später bei „Seinfeld“ nicht mehr zu denken war. Was „Männerwirtschaft“ daneben sehr gutgetan hatte, war das Weglassen der unsäglichen Lachkonserven. Bei „Seinfeld“ behielt man im Deutschen das Gelächter bei, das schon im Original schlicht absurd ist, weil die Serie nicht in einer Theaterdekoration vor Publikum spielt (wie etwa „Männerwirtschaft“, „Eine schrecklich nette Familie“ oder „Golden Girls“) sondern in wechselnden realistischen Sets und an Open-Air-Schauplätzen. Passend und notwendig waren die Lacher nur in den Comedy-Club-Szenen, aber die wurden bei der hiesigen Ausstrahlung vielfach ohnehin entfernt. Auch bei der Besetzung der deutschen Stimmen hatte Brandt nicht das gleiche gute Händchen wie einst in den 70ern. Jedenfalls blieb „Seinfeld“ bei uns ein Geheimtipp.

Sehr beliebt war die Serie in Fachkreisen. Ich hatte das Gefühl, unsere Comedians fanden vor allem den Erfolg sehr sexy, der ihnen hier (auf dem Bildschirm wie im Leben) von einem Kollegen vorexerziert wurde, der seinen Fans im Wesentlichen Geschichten aus seinem keineswegs aufregenden Dasein erzählte. Der Beruf des Comedians erschien in wärmstem Licht, als ein Leben, das manchem hätte so passen können. Und wenn es im eigenen Programm mal eng wurde, konnte man sich bei Jerry schon mal einen Gag ausleihen – das deutsche Publikum hatte ihn sicher noch nicht gehört. (Das ist vollkommen in Ordnung, denn Witze sind ja schließlich zum Weitererzählen da!)
Aber warum blieb „Seinfeld“ hierzulande der ganz große Erfolg versagt? An der beliebten Ausrede der Sender hat es sicher nicht gelegen: „Deutscher Humor ist nicht gleich amerikanischer Humor“.

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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