Guy Peellaert vorher – nachher

betr.: 87. Geburtstag von Guy Peellaert

Eine Farbdramaturgie wie im Siebdruck und auch sonst museumsreif: der frühe Peellaert. Zwölf Jahre liegen zwischen der dieser und der untersten Abbildung. (Carl Schünemann Verlag 1967)

Die meisten Zeichner verändern ihren Stil über die Jahre. Einige sind in der Früh am besten (der Disney-Zeichner Luciano Bottaro etwa oder der Marvel-Künstler John Buscema), andere werden besser und besser (Jack Kirby – jedenfalls solange er sich von Marvel-Leuten tuschen ließ). Und dann gibt es jene, die ihren Strich im Laufe der Jahre bis zur Unkenntlichkeit verändern und es dem persönlichen Geschmack überlassen, welche Phase man lieber mag. Hier wäre (wieder bei Disney Europa) Massimo de Vita zu nennen. Oder Guy Peellaert.
Der erregte 1966 Aufsehen mit einem Comic, der die Stilmerkmale, die die Pop Art dem Comic entwendet hatte, dorthin zurückbrachte: „Jodelle“ („Les Aventures de Jodelle“). Die Heldin ermittelt im Rom des Jahres 007 (!), in einer poppigen Antike, in der es Nachtclubs und die Beatles gibt und in der die Autos von Pferden gezogen werden. In der Arena tritt man im Trainingsanzug auf. Peellaert bringt das Kunststück fertig, den Zeitgeist fröhlich auszuschlachten und ihn im gleichen Moment kritisch zu hinterfragen. Nebenbei ist „Jodelle“ ein erotischer Comic, dessen Heldin der Sängerin Sylvie Vartan nachgebildet ist.  Die Serie erschien ursprünglich im französischen Satiremagazin „Hara-Kiri“ und wurde schon im folgenden Jahr auf Deutsch herausgebracht.

Plot und Personal von „Les Aventures de Jodelle“.

Sexy Superfrauen hat es im Comic – bzw. in dessen Filmvarianten – in jenen Jahren viele gegeben, aber die Historiker sind sich heute einig, dass „Jodelle“ Mitbewerberinnen wie „Modesty Blaise“, „Axa“ oder „Barbarella“ in puncto Stilwillen und Innovation meilenweit voraus und im übrigen ohne nennenswerte Nachahmerinnen geblieben ist. Lediglich Peellaerts nächste Produktion bewegt sich in ihrem Kielwasser.

Dann aber wandte sich der Künstler vom Comic ab und gestaltete Plattencover für die Allergrößten, Leute wie David Bowie oder die Rolling Stones. Wir wollen uns kurz in Erinnerung rufen, was für ein tolles Medium so eine Schallplattenhülle mit ihren 31 x 31 cm gewesen ist, um Kunst in private Wohnräume zu schmuggeln.

1986 brachte Guy Peellaert zusammen mit dem Autor Michael Herr den Bildband „The Big Room“ heraus, in dem er V.I.P.s der USA portraitiert – in Situationen, die sie durchaus in ihrer Glanzzeit zeigen. Und doch sehen sie so einsam aus, aus wären sie aus den Gemälden von Edward Hopper herübergekommen, in denen wir nun umso freieren Blick auf Räume, Straßenzüge und Landschaften haben.

Das Titelgemälde der deutschen Ausgabe des Bildbandes „The Big Room“ heißt „Harlem Nocturne“ und zeigt den Boxer Sugar Ray Robinson. Das Buch ist „ein kaleidoskopisches Porträt Amerikas und seines Traums von Ruhm, Reichtum und Macht. 48 Pioniere und Exempel des ‚american way of life‘, Gewinner wie Verlierer, gesehen durch das Prisma Las Vegas, Amerikas ‚kapitalistischen Gulag und Drehscheibe aller Wünsche‘, die gnadenlose Bühne des ‚Big Room, den Wüstenspielplatz für Erfolgsbesessene.“

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