Obwohl unser Sprachgebrauch seit fast 30 Jahren den Begriff „Comedy“ kennt und Comedians zu unseren prominentesten Unterhaltungsstars gehören, ist die Berufsbezeichnung „Komiker“ noch immer nicht ausdrücklich positiv konnotiert und wird zuweilen sogar als Schimpfwort gebraucht. Aber das gilt auch für Begriffe wie „Theater“ („Lass das Theater!“), „Oper“ („Quatsch keine Opern!“) und „Zirkus“ („Was ist das hier für ein Affenzirkus?“) – einzig das „ganz große Kino“ bildet eine Ausnahme. Das kann niemanden mehr verwundern, seit unsere Regierung im Ausnahmezustand der Corona-Pandemie 2020/21 unsere Kulturschaffenden gleichauf mit der Prostitution einsortiert hat. Es offenbart den Fortbestand einer mittelalterlichen Tradition, die die Schöngeister und Optimisten unter uns zuletzt überwunden glaubten.
Auch „Klamotte“ ist ein solcher Begriff mit fragwürdigem Leumund. Doch hier ist der Fall noch etwas spitzfindiger. Selbst innerhalb der Gemeinde der Feuilletonisten und Cineasten wird er nicht immer sorgfältig angewandt.
Die amerikanische Fachliteratur hilft nicht weiter, denn obwohl die USA das Mutterland der Comedy sind und eine Vielzahl wichtiger Beiträge zum Thema hervorgebracht haben, gibt es im dortigen Vokabular keine Entsprechung.
„Quatsch keine Opern!“ – „Was soll das Theater?“
„Klamotte“ wird im Film gern als Sammelbegriff für anspruchslose oder missglückte – also minderwertige – Komödien verwendet (auf der Bühne sortiert man sie bei „Schwank“ mit ein), ebenso für sehr alte Beiträge, die (auf möglicherweise charmante Art) überholt und nicht länger wirksam sind („Stummfilmklamotte“).
Tatsächlich meint diese Bezeichnung eine Untergattung der Komödie, die ganz besonders schwer zu realisieren ist.
Die Qualitätsunterschiede innerhalb der Sparte sind beträchtlich. Anerkannte Großmeister des Humors wie die Marx Brothers waren ebenso auf diesem Gebiet tätig wie „The Three Stooges“ oder Laurel und Hardy. Die völlig veralteten „Stooges“ sind nach allgemeiner Einschätzung Klamottenkomiker, die Marx Brothers nicht. (Bei Laurel und Hardy gibt es unterschiedliche Ansichten. Wer sie nicht mag, zählt sie dazu.) Doch nicht alle Stummfilmkomödianten sind automatisch der Klamotte zuzurechnen.
Buster Keaton machte Filme, die sowohl Action-Elemente als auch eine poetische Dimension aufwiesen, die sehr von der artifiziellen Atmosphäre des stummen Films profitierte. W. C. Fields war ein boshafter Sozialsatiriker, der seinen Ansatz mit dem Hinzukommen des Dialogs noch pointieren konnte. Charlie Chaplin wirkte nur in seinen Anfängen als ein Protagonist des „Sahnetortenfilms“. Mit zunehmender künstlerischer Freiheit emanzipierte er sich davon, ohne seine komische Wirkung zu vernachlässigen. Seit „The Kid“ löste Chaplin konsequent den selbstgestellten Anspruch ein, komplexe dramatische Geschichten mit den Mitteln der Komödie zu erzählen. Seine einzige Klamotte nach 1921 war „Ein König in New York“, dessen satirische Untertöne (eine Kritik an den USA) eben nur Untertöne blieben. Der Film gilt als schwaches Spätwerk (Chaplin spielt hier seine letzte Hauptrolle), was uns einen Eindruck davon vermittelt, wie schwer Klamotte wirklich ist.
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