betr.: 36 Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Teschernobyl
Tschernobyl war mein erstes aktuelles Ereignis als Kabarettist – jedenfalls theoretisch. Ich hatte den Saarbrücker Kabarettisten Bob Ziegenbalg mit vielen Worten und großer Hingabe davon überzeugt, mir eine Chance zu geben. Er hätte sich etwas mehr Tagespolitik gewünscht (genaugenommen gab es so etwas gar nicht in meinem Material), aber er lud mich trotzdem in sein Format „Das Letzte“ ein, eine von ihm moderierte Mix-Show, wie man heute sagen würde.
So konnte ich im Jazzkeller „Gießkanne“, der damals in einer kleinen Einkaufspassage in der Bahnhofstraße lag, mit Bob und dem Liedermacher Sigi Becker den Abend gestalten. Es war mein erster Auftritt vor einem städtischen Kabarettpublikum, nachdem ich mich zwei Jahre lang im dörflichen Karneval und bei Club-Abenden warmgelaufen hatte.
Kurz vor der Veranstaltung kam es zu dem russischen Reaktorunfall, und damit war das kabarettistische Thema gewissermaßen gesetzt. Hanns Dieter Hüsch holte auf seinem nächsten „Gesellschaftsabend“ im SR-Sendesaal seinen klassischen Anti-Atom-Gesang „Carmina Urana“ wieder hervor („Wir wünschten, dass wir unrecht hätten …“), und auch Bob und Sigi widmeten sich in „Das Letzte“ nun intensiv der Gefährlichkeit der Atomenergie. Vorgekommen wäre sie ohnehin, denn das nahegelegene französische Kernkraftwerk Cattenom stand kurz vor der Einweihung. Mit meinem strahlenfreien Repertoire habe ich unser Programm zumindest ganz hübsch abgerundet. Die Kollegen und das Publikum waren ganz zauberhaft.
Mitte der 80er war Saarbrücken ein Dorado der freien Theater- und Kleinkunstszene. Es wimmelte von Kulturkneipen, und übers Jahr verteilt hab es ein knappes Dutzend Festivals. Ich habe dort einen wirklich schönen Zeitpunkt erwischt.