Den Zuschauer abholen

In guter Text, ein gutes Sendemanuskript, ein gutes Drehbuch lässt alles weg, was der Betrachter ohnehin selber denkt. Das erste, was uns beim Schreiben einfällt, muss also automatisch in die Tonne, denn es fällt auch jedem anderen als erstes ein.
In einer idealen Welt wären alle dieser Meinung.
Stattdessen läuft es so wie ich es in einem von Götz Georges späten „Schimanski“-Krimis gesehen habe. Dort gibt es diese typische Szene: Schimanski und sein ebenfalls gealterter Kollege Hänschen aus alten Duisburger Tagen sind in gemütlicher Stimmung. Sie umarmen einander und watscheln einträchtig aus dem Bild, während ein junger Kollege ihnen nachsieht.
„Wie ein altes Ehepaar“, denke ich bei diesem Anblick und schäme mich meiner banalen Reflexe. Der Freund auf dem Sessel nebenan sagt tonlos: „Wie ein altes Ehepaar“ und sieht aus dem Augenwinkel zu mir herüber. Schimis Kollege wendet sich nun von den wankenden Greisen ab und sagt in die Kamera: „Wie ein altes Ehepaar.“
So macht man das! – Vermutlich hatte der zuständige Redakteur bei der Abnahme den gleichen Gedanken. Toll, wie einig sich mal wieder alle sind!

Die meisten Fernsehdialoge fühlen sich an, als würde einem das Drehbuch an den Kopf geworfen.

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