betr.: 138. Geburtstag von Coco Chanel
Eines ihrer letzten Interviews gab die große Modeschöpferin Coco Chanel mit bald 90 Jahren dem Feuilleton-Tratschmaul Georg Stefan Troller. Darin fallen Satzteile wie „wenn ich mal alt bin“ – was ohne den Rest des Textes vielleicht erfrischend klänge. Liest man den auch, können einem Zweifel kommen: „Einmal, vor drei Jahren, wollte ich plötzlich ein Haustier haben. Man hat mir gesagt: Haustiere in der Rue Cambon? Unmöglich! Darauf bin ich sofort losgezogen und hab mir ein Pferd gekauft. Ein Rennpferd. Jetzt habe ich einen ganzen Stall, draußen auf dem Land. Manchmal gewinnen sie sogar. Die Jockeys tragen karmesinroten Dress, damit ich sie von der Tribüne aus erkennen kann. Ich bin nämlich sehr kurzsichtig.“ – Nur zur Einordnung: im selben Interview rühmte sie sich, jeden Tag 14 Stunden zu arbeiten (was vermutlich stimmte) und das vielleicht gelegentlich noch auf 16 Stunden raufzusetzen …
Wirklich rund wird dieses Bild über ein Leben in fleißig erworbenem Reichtum und gesellschaftlicher Hochstellung aber erst, wenn Troller auf sich selbst zu sprechen kommt (was er niemals versäumt). Etwa bei den Einzelheiten um das Zustandekommen des Interviews. „Mademoiselle ist noch nicht im Hause.“
„Aber ich bin doch zum Déjeuner eingeladen, und es ist halb zwei Uhr.“
„Mademoiselle speist zu Mittag, wann es ihr gefällt.“ – Man mustert mich argwöhnisch. „Und was ist es, was Sie uns da ins Haus bringen?“
„Ein Tonbandgerät. Um das Interview wörtlich aufzunehmen.“
„Um Himmels willen, verstecken Sie das Ding. Mademoiselle liebt nichts Mechanisches. Mademoiselle liebt überhaut nicht die Presse. Vielleicht wissen Sie nicht, was für ein außergewöhnliches Privileg Sie genießen, überhaupt nur bei ihr vorgelassen zu werden?“
Während der Pressechef innerlich die Hände ringt, lasse ich mich in einen der überdimensionalen Lehnstühle fallen. Dicke Spannteppiche im Empfangssalon, polierte Holzvertäfelung, meterhohe Spiegel. Unaufhörlich flüstert der Mann auf mich ein, wie vor einer Audienz: „Nur ja keine persönlichen Fragen stellen, das liebt Mademoiselle gar nicht. Und nicht auf die Vergangenheit zu sprechen kommen. Überhaupt ist es ratsamer, Sie hören bloß zu, ohne zu unterbrechen.“
Plötzlich verwandelt er sich in einen Untertan, nimmt devote Haltung an, stürzt zum Eingang. Es ist soweit: Mademoiselle ist da!
Wie viel lustiger war es doch, der offiziell schlecht gelaunten Marlene Dietrich zuzuhören, als sie Maximilian Schell zu Besuch hatte …
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