Antworten für Quadratspießer (m/w)

In der aktuellen Ausgabe des Fahrgastmagazins der Deutschen Bahn gibt es ein Gespräch mit einem weiblichen Comedy-Star. Es hält in seiner Zusammensetzung den archetypischen Interview-Baukasten für Comedy-Künstler jederlei Geschlechts bereit.
Die Zutaten lauten:

1. Bescheiden tuende Prahlerei mit dem Glamour des gewählten Berufs („Ich bin ständig unterwegs: Interviews, auf Tour mit meinen Programmen, für Dreharbeiten. Immer in Städten, von Leuten umgeben, ständig reizüberflutet.“)

2. Pointenversuche, die garantiert keinem wehtun („Wir versuchen gerade, aus unserem Leben eine Musicalnummer zu machen: Ich pack die Windel in den Windeleimer, o nein, er steht auf dem 35 Grad heißen Balkon, und es stinkt total.“ Schubidu!)

3. Anbiederung durch die ausdrückliche Betonung der eigenen kleinbürgerlichen Genügsamkeit („Ich muss ein bisschen spießig sein, damit ich mein völlig verrücktes Leben irgendwie zusammenhalten kann.“)

4. Betonung des Familiensinns („Ich muss niemanden um mich haben außer meinem Mann und meinen Kindern.“ – „Plural?“ – „Ja, ich denke, wir werden mehr als eins haben.“ oder „Uns hat immer gestört, dass viele deutsche Comedians die Ehe als etwas Negatives darstellen.“)

5. Lustige gestellte Fotos, die garantiert niemanden irritieren (die Künstlerin im aufblasbaren Pool mit tätigem Gartenschlauch, mit Glitzerkleid am Rasenmäher, bei der Nassrasur …)

6. Das völlige Fehlen von Einlassungen, die tatsächlich etwas Persönliches aussagen (stattdessen Quasibesinnliches wie „Dieses Zwischenstadium zwischen Kind- und Erwachsensein fand ich ganz unangenehm.“ oder „Ich kämpfe während des Drehs gegen meinen Fluchtdrang an. Der Mensch ist ja ein Tier, das weglaufen möchte, wenn es unangenehm wird. Und wenn man sich dann immer zwingt zu bleiben, wird die Willenskraft strapaziert.“ Oder alle übrigen Zitate.)

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