So ungeliebt und wie unentbehrlich – Der Beruf des Medienautors (3)

Fortsetzung vom 25. September 2021

Noch weitaus ungnädiger beschreibt Gaby Köster ihre Autoren, wenn sie sich in „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“* der entbehrungsreichen Lebens- und Karriereumstände erinnert, die zu ihrem Schlaganfall geführt haben. Köster, die sich nach ihrem Durchbruch in der Kölner Comedy-Szene auch als fähige Schauspielerin erwies, zeigt rückblickend wenig Sympathie für den sie umgebenden Amüsierbetrieb. Auf ihre Drehbuchschreiber ist sie ganz besonders schlecht zu sprechen,  weil sie nicht deren erste Wahl für die Hauptrolle in „Ritas Welt“ gewesen sei. Sie sieht den immensen Erfolg ihrer Serie weniger in der konstanten Qualität der Texte begründet als in „den psychischen Scharmützeln, die am Ende (…) in einen sinnlosen Rosenkrieg führten“, der immerhin eine Art kreativer Aufputscher gewesen sei, wie er zuweilen bei verkrachten Rockbands beobachtet wird. Wenn Köster etwas am vorgegebenen Verhalten ihrer Figur, der Supermarktkassiererin Rita Kruse, auszusetzen hatte, hing im Handumdrehen „der Haussegen schief, und es ging wieder hoch her! Aber die Autoren wollten natürlich von solchen Sachen nichts hören. Die Autoren wurden ja auch nicht im Supermarkt oder auf offener Straße mit ‚Frau Kruse‘ angesprochen. Und dabei, liebe Freunde des gestreuselten Kuchens, ging es ja noch nicht einmal um Textprobleme! Denn wenn es um den Text ging, wurde meistens noch heftiger gestritten“, und das habe gar nicht mehr der Sache gedient, sondern persönlichen „Abneigungen, Macht- und Egospielchen“.

„Ritas Welt“ (1999-2003) entstand parallel zu der identisch formatierten Serie ihres Kollegen Atze Schröder, „Alles Atze“ (2000-06). Für beide war das Autorenkollektiv „Die Schreibwaisen“ zuständig, das Folge für Folge ein zuverlässiges Quantum an launigen (nicht zu verwegenen) Plots und Dialogen voller Punchlines abliefern musste. Die Schaffung einer solchen brauchbaren Arbeitsgrundlage ist auch dann eine beachtliche Leistung, wenn man vor der Kamera zuweilen das Gefühl hat, die eine oder andere Pointe besser gewusst zu haben. Kösters Unmut mag auch damit zusammenhängen, dass Comedians die Texte für ihre Bühnenshows häufig selbst verfassen oder doch wenigstens daran mitarbeiten. Sie sind (oder waren zu jener Zeit) die Arbeit mit fremdem Material noch nicht gewohnt. Die Fertigung eines Drehbuchs ist aber etwas anderes als die Schaffung eines Soloprogramms. Und die Fertigung witziger Drehbücher in Serie ist nochmal etwas völlig anderes. In der deutschen TV-Landschaft fand man noch immer befremdlich, was sich in den USA schon in den 50er Jahren durchgesetzt hatte: ein „Writer’s Room“ gehört bei einem regelmäßigen Comedy-Output ganz einfach dazu, weil sich das Niveau der unablässigen Pointen sonst unmöglich halten ließe. Mit dieser Arbeitsweise machten deutsche Entertainer erst in den 90er Jahren allmählich Bekanntschaft, als sich auch bei uns tägliche Personality-Formate durchsetzten und die Comedy zur festen Programmfarbe wurde.
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* S. Fischer Verlag 2012, Gaby Köster mit Till Hoheneder

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