Beim fettigen Freddy

Betr.: St. Georg / St. Pauli (Essenskultur)

Vielleicht hängt es mit dem aktuellen Trend zusammen, weniger Fleisch zu essen, vielleicht auch nicht. Jedenfalls gibt es in meiner Gegend immer weniger Möglichkeiten, sich ein halbes Hähnchen auf die Hand zu kaufen. Im nördlichen St. Georg ginge das allenfalls im Edel-Supermarkt – per Vorbestellung.
Auf St. Pauli, wo ich meine ersten Hamburger Jahre verbrachte, ging ich mehrmals pro Woche zu „Freddy’s Imbiss“. Zuerst stand dort wirklich noch Freddy persönlich hinterm Tresen, ein deftiges Mannsbild mit Rauschebart. Als ich ihn fragte, ob er mir den kompletten Bürzel an meiner Hähnchenhälfte dranlassen würde, meinte er nur: „Den mögen andere Leute auch!“ (Stimmt nicht, den schnippeln immer alle ab …)
Meine Lage besserte sich, als ein neuer Betreiber den Laden übernahm, ohne die Leuchtreklame auszutauschen. Er ließ mir nicht nur meinen Bürzel, er begrüßte mich fortan sogar mit den Worten: „Ein Gebürzeltes?“ – Klar, wollte ich. (Ich würde es heute noch wollen – wie gesagt – würde aber die Pommes weglassen.)

Der neue „Freddy“ sah wie ein Schalterbeamter aus, verströmte aber eine stille Würde. Wenn ihn Kieztypen mit „Hey!“ adressierten, verbat er sich das, versah seine Arbeit aber insgesamt recht gern. Ab und zu kamen wir ein wenig ins Gespräch. Einmal streiften wir das stadtteilspezifische Thema „Schutzgelderpressung“. Ich erlaubte mir die naive Nachfrage, ob er denn mit diesen Herren schon Bekanntschaft gemacht hätte. „Nein“, meinte er ungerührt. Und das würde er ihnen auch nicht raten. Er hätte solchen Typen nämlich ruck-zuck siedendes Öl in die Fresse geschüttet, schneller als die „Papp“ sagen könnten. Das sagte er ohne Gemütsregung, wirklich überzeugend, als ginge es um eine Getränkelieferung.
Ich habe diese Antwort zumindest als Zeichen dafür ausgelegt, dass er regelmäßig sein Frittenfett wechselt.

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