Die Tomaten von den Augen nehmen – Comic-Übersetzungen einst und jetzt

betr.: 44. Todestag von René Goscinny

Einen genialen Humoristen wie den Comic-Autor René Goscinny zu übersetzen, ist aus mehreren Gründen eine Herausforderung. Die Gags müssen in aller Regel neu ersonnen werden, wobei sowohl der Qualität als auch dem Idiom des Originals zu entsprechen ist. Außerdem darf man dem Ergebnis den Respekt nicht anmerken, den der Name Goscinny seinen Bearbeitern zu recht einflößt, denn es soll sich ja alles leicht und heiter anfühlen.

Die frühesten deutschen Goscinny-Comics erschienen Ende der 60er Jahre in den Erzeugnissen des Verlegers Rolf Kauka. Vor allem wegen eines einmaligen bösen Ausrutschers* wurden diese Übersetzungen später pauschal geächtet und tragen heute offiziell das Stigma der Anfechtbarkeit. Ein weiterer Grund für diese Einordnung ist der spätere Aufstieg von Comics wie „Lucky Luke“ vom unschuldig-hemdsärmeligen Comic-Heftchen zum gediegeneren Comic-Album, das sogar im Hardcover daherkommen kann. „Lucky Luke“ erscheint außerdem immer wieder in weiter und weiter anschwellenden Gesamtausgaben (also Sammlungen zum Sammeln), von denen die neuste gerade auf den dritten Band zusteuert.

Aber was ist denn dran am schlechten Ruf der Kauka-Texte?**
Um Ihnen den Einstieg in ein persönliches Urteil zu ermöglichen, sollen hier nun die Kauka- und Ehapa- (bzw. Egmont-)Version eines der Abenteuer von Morris & Goscinny verglichen werden. Erstere stammt vermutlich von Peter Wiechmann, zweitere sicherlich von der großartigen Gudrun Penndorf, wobei erfahrungsgemäß jede Neuauflage genutzt wird, um sprachlich daran herumzuschrauben.

Das Koralle-Album von 1975. Es war keineswegs die erste deutsche Ausgabe, wie die Wikepdia erzählt.

Das hier zitierte Abenteuer „La Ville Fantôme“ (Album Nr. 64, 1965) hieß zunächst „Die Geisterstadt“ und wurde später u.a. „Goldrausch!“ genannt.  Die Scans der jeweils ersten Abbildung stammen aus dem „Fix und Foxi“-Taschenbuch „FF-Extra“ Nr. 3 (1969), die Alternative ist der „Lucky Luke“-Sammel-Edition von 1992 entnommen, stellvertretend für die späteren Textfassungen.

Ausrufe wie „Zounds!“ oder Anreden wie „Merschurs“ wurden auch in Kaukas eigenen Western-Comics gern benutzt. Ohne mir immer philologisch einzuleuchten, heimelten sie mich außerordentlich an.
Die beiden Falschspieler haben sich gerade von Teer und Federn gereinigt.  Ihre Namen in der neueren Übersetzung spielen auf die beiden großen TV-Seifenopern der 80er an: „Dallas“ und „Der Denver-Clan“ (vulgo: „Dallas“ und „Denver“).
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Die Übersetzung jenseits der Sprechblasen: eine Szene aus dem Epilog der Geschichte …

Allen, die Lust haben, diese Nachforschung zu vertiefen, sei der Besuch eines Comic-Antiquariats in Ihrer Nähe empfohlen.
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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2015/01/10/rolf-kaukas-suendenfall/
** Taktvollerweise behalte ich meine Meinung erst mal für mich. Wer möchte, kann sie im morgigen Blog nachlesen. 

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Eine Antwort zu Die Tomaten von den Augen nehmen – Comic-Übersetzungen einst und jetzt

  1. Frank Eckner sagt:

    Ein wundervolles Thema, was sozialkritischer nicht sein kann.
    Denn die Frage, ob die politische Korrektheit solche Stilblüten treibt, oder
    die Verlage Ihre Leserschaft nicht mehr kennen, stellt sich -meiner Meinung nach- gar nicht.
    Es ist für mich genauso verwirrend, wie diverse neu Synchronisationen, von Filmen.
    Sie spiegeln die damalige Zeit und die damalige Sprache wieder
    Und es ist in der Originalfassung eine wichtige Erinnerung

    Und so ist es auch bei den Comics- ich belebe, das Kind in mir
    Deshalb Geister ich auch immer wieder, wie ein untoter über diverse
    Flohmärkte, auf der Suche nach den Werken der einzigartigen Erika Fuchs

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