Variationen über die Geschlossene Gesellschaft

Blake Snyder, Autor des kürzesten und unterhaltsamsten der „ultimativen“ Handbücher über das Drehbuchschreiben, spricht von zehn Filmgenres, in die sich alles einsortieren lässt, was das Kino hervorgebracht hat. Die Genres heißen nicht „Western“, „Krimi“ und „Schnulze“ sondern etwa „Das Monster im Haus“, „Der Geist in der Flasche“, „Der triumphierende Narr“ oder „Kerl mit Problem“. In der Rubrik „Eingewiesen“ geht es um Gruppen. Darunter werden neben Familien (wie in „American Beauty“ und „Der Pate“) auch Einrichtungen zusammengefasst: Internate („Ich glaub‘, mich tritt ein Pferd“), das Militär („M*A*S*H“) und geschlossene Anstalten („Einer flog übers Kuckucksnest“).

Auf die Gemeinsamkeiten zwischen Militär und Klinik hat schon Graham Greene in seiner berühmten Erzählung „Unter dem Garten“ hingewiesen: „Für den Laien besteht nicht viel Unterschied, ob er sich in ein Spital begibt oder in die Armee eintritt. Er tut es mit dem Gefühl der Erleichterung und der Gleichgültigkeit. Völlig hilflos wird er auf ein Förderband gelegt und fühlt sich dann für nichts mehr verantwortlich. Wildlitch hatte das Empfinden, sich im Schutze einer Organisation zu befinden, während draußen der englische Sommerregen auf die Dächer der geparkten Autos tropfte. Seit dem Kriegsende hatte er nicht mehr ein solches Gefühl der Freiheit gehabt.“

Auch der zeitgenössische Schriftsteller Clemens J. Setz hat Pflegeheime im weitesten Sinne zu einem Schlüsselschauplatz seiner Werke gemacht – von „Frequenzen“ über „Indigo“ bis zur „Stunde zwischen Frau und Gitarre“ und „Die Bienen und das Unsichtbare“. Er überspringt die Greene’sche Ironie. Für Setz sind solche Einrichtungen „unheimliche Orte, weil in ihnen Fürsorge und Überwachung, Schutz und Manipulation, Empathie und Entmündigung, Einschluss und Ausschluss seltsam oszillieren“, wie es kürzlich in einer Laudatio auf den Autor hieß.

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