betr.: Kleist-Preis-Übergabe an Büchner-Preisträger Clemens J. Setz
Mein zeitgenössischer Lieblingsschriftsteller Clemens J. Setz räumt seit einigen Jahren alle einschlägigen Preise ab. Gerade war es wieder soweit: am 6.11. erhielt er einen der wichtigsten, den hochdotierten Georg Büchner Preis. Eben wurde gemeldet, dass er heute mit pandemiebedingter Verspätung auch den Kleist-Preis entgegengenommen hat, der ihm schon 2020 zugesprochen wurde. Natürlich haben solche Preislawinen ab einem gewissen Punkt stets eine Eigendynamik, die sich für ihren jeweiligen Gegenstand gar nicht mehr interessiert, aber Clemens Setz hat jede einzelne Auszeichnung verdient. Insofern haben auch alle Laudatoren recht, die ihn in diesem Zusammenhang preisen.
Beim Büchner Preis ging es besonders amüsant zu. Der Festredner Ijoma Mangold schöpfte emsig aus dem Setz’schen Füllhorn und der Autor in seiner Dankesrede aus dem des Preis-Paten Georg Büchner.
Mangold entnahm dem Roman „Indigo“ die eigenwillige Variation eines beliebten Spiels: „Was heißt es, Reise nach Jerusalem zu spielen, wenn es genau so viele Stühle wie Spieler gibt? (…)..die Kinder sind im Kreis gelaufen und dann: bumm!, haben sie sich hingesetzt. Und dann haben sie sich gegenseitig angeschaut, als wollten sie sagen: Und was hat das jetzt für einen Sinn? Aber Dr. Rudolphs Theorie war, dass niemand ausgeschlossen werden darf, erst recht nicht das langsamste Kind. Keine Gewinner, keine Verlierer. Naja, wie gesagt, ein Fanatiker.“
Setz erinnert sich in seinem Vortrag an „die preisverleihungsähnlichste Szene im Werk des jungverstorbenen Dichters, in dessen Namen wir hier versammelt sind“. Er schildert, wie ihn seit Jugendtagen „der Kluge Hans“, das berühmte hochbegabte Pferd in Büchners „Woyzeck“, nicht mehr losgelassen hat. Erst vor wenigen Jahren fand der Autor auf der Suche nach Sekundärliteratur zu diesem Thema (dem einst so populären Phänomen der Begabten-Tierschau) ein Buch vom deutschen Pionier der Tierpsychologie Karl Krall (1863 – 1929), „der uns auf Hunderten von Seiten von seinen Versuchen berichtet, Pferde zu sprechenden, denkenden Mitmenschen zu erziehen.“ Was Setz aus diesem Quellenwerk vorträgt und wie er es kommentiert, ist wieder einmal göttlich. Ich musste zwischendurch an einen meiner Lieblings-Loriot-Sketche denken: „Der sprechende Hund“. (Vielleicht hat Loriot das Buch ja auch aufgetrieben …)
Laudatio und Dankesrede wurden im Radio übertragen und sind auf mehrere Weise vollständig online abrufbar.
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