Die Comédie humanoide des Fernsehens

betr.: Die 3. Staffel der „Twilight Zone“ erscheint auf DVD

In letzter Zeit ist häufig die Rede davon, die Ära des Fernsehens sei praktisch vorbei. Ich will mich an solchen Überlegungen heute nicht beteiligen, aber soviel steht fest: das beste, was für dieses Medium geschaffen wurde und wird, existiert eher im Internet oder in DVD-Boxen, die man beim Kaufmann bekommt, als im „linearen Programm“. (Die grandiose Serie „The Wire“ z.B. ist bis heute nicht im deutschen Free-TV gelaufen, und da ist das Fernsehen ganz allein selber schuld!)
Vielleicht kommt es ja nun – aus dem bevorstehenden Rückblick heraus – zu einer historischen Aufarbeitung der TV-Geschichte. Dann würden Vergleiche möglich, die man heute noch vermessen findet. Es wäre dann gestattet, Fernsehsendungen und ihre Macher mit (großer und kleiner) Literatur zu vergleichen: Loriot mit Wilhelm Busch, GZSZ mit den Lore-Romanen, Guido Knopp mit L. Ron Hubbard

Der Balzac des Fernsehens – oder doch wenigstens sein Emile Zola – wäre dann Rod Serling, Erfinder, Präsentator und Haupt-Autor (neudeutsch: Show-Runner) der Serie „The Twilight Zone“. Dieser Titel, der inzwischen in den Sprachgebrauch eingegangen ist, mußte bei der deutschen Erstauswertung in den 60er Jahren noch umständlich übersetzt werden: „Unwahrscheinliche Geschichten“ lautete er damals.
Die „Twilight Zone“ war die erste Fantasy-Serie für Erwachsene, und Fantasy hieß, dass alltägliche Personen plötzlich mit dem Unfassbaren konfrontiert wurden – es gab kein Entrinnen, keine Erklärungen. Ob „The Outer Limits“ oder “Alfred Hitchcock Presents“, ob „Raumschiff Enterprise“ oder „Akte X“ – sie alle waren davon inspiriert.

Die „Twilight Zone“ hat ihre Vorläufer im Anthologie-Fernsehen der amerikanischen TV-Gründerzeit. Zahllose „Playhouse“-Formate erzählten Folge für Folge unterschiedliche, in sich abgeschlossene Geschichten mit wechselnden Figuren und Darstellern, die wie Theaterstücke geprobt und dann live (!) gesendet wurden. Eine ganze Generation späterer Hollywood-Stars ging aus diesen Ensembles hervor – und Autoren wie Rod Serling, der schon ein hochdekorierter Medienautor war, als er 1959 seine eigene Serie starten konnte.
Viele der „Twilight Zone“-Episoden sind heute legendär – und Stammgäste in den Halloween-Specials der „Simpsons“: die außerirdischen Besucher, deren Manifest „To Serve Man“ nicht etwa „Dem Menschen dienen“ sondern „Den Menschen servieren“ bedeutet, die teuflische Puppe, die den Vater ihrer kleinen Besitzerin tyrannisiert, die bandagierte Patientin in der seltsam lichtlosen Schönheitsklinik, der übersinnlich begabte Junge, der sein Heimatdorf unterjocht hat.
Über dem Vorspann hörte man aus dem Off zuerst den Autor selbst, der eine Geschichte „zwischen dem Abgrund menschlicher Ängste und dem Gipfel seiner Erkenntnis“ ankündigte. Bald wurde es Usus, dass Rod Serling dann persönlich in die jeweilige Kulisse trat, um den neuesten Fall anzusagen – ein adretter Gentleman mit qualmender Zigarette (seine winzige Körpergröße fiel hier nicht auf), dessen angenehme Baritonstimme hinter einem beinahe gebleckten Gebiß hervorkam.
Obwohl die Einschaltquoten nur passabel waren, attestierte man dem Format von Anfang an überragende Qualität, und bis heute genießt es sowohl feuilletonistisches Ansehen als auch einen breiteren Kultstatus.

Twili-Flipper    Zu groß für mein Sammelalbum: Rod Serling als Coverboy eines Flipper-Automaten

Die Jahre danach könnte sich Serling selbst für eines seiner Skripte ausgedacht haben: finanziell abgesichert und hochgeachtet verbitterte er angesichts der Fallhöhe, aus der er nun in die Niederungen der realen Fernsehbranche hinabsteigen mußte. Immerhin: der Filmklassiker „Planet der Affen“ führt ihn als Drehbuchautor. Er ruinierte seine Gesundheit mit Zynismus, Unmengen von Zigaretten und exzessiven Sonnenbädern und starb 1975 mit gerade mal 50 Jahren.

Im Deutschen Fernsehen lief die „Twilight Zone“ höchst selten und sehr ungeordnet – die Synchronfassungen entstanden mit großen Pausen in drei Schüben, die vierte der fünf Staffeln (ihre Episoden dauerten 50 statt 25 Minuten) war bei uns noch gar nicht zu sehen. Das wäre dann der Inhalt der vierten DVD-Box. Drücken wir einander die Daumen, dass die Hersteller der Staffeln 1 bis 3 noch ein wenig durchhalten.

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