Die näheren Umstände

betr.: 46. Todestag von Bourvil

Wir kennen den einstmals berühmten französischen Schauspieler und  Chansonnier Bourvil heute nur von immer selteneren Auftritten auf unserer Mattscheibe, z.B. in seinen Filmen mit Louis de Funès, „Scharfe Sachen für Monsieur“ und “Die große Sause“.

Bei der Arbeit an „Das Superhirn“ wurde Bourvil von schlimmen Rückenschmerzen geplagt, so in der Szene zu Beginn des Films, als er bei dem Versuch, Jean-Paul Belmondo aus dem Gefängnis zu befreien, durch einen Tunnel kriecht. Sein Regisseur Gérard Oury schickte ihn zu einem befreundeten Mediziner. Am Premierenabend des Films enthüllte der Arzt Oury die Diagnose: die Kahler-Krankheit, eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems. Er wusste, dass die beiden in einem Jahr ihren nächsten Film drehen wollten – „Die dummen Streiche der Reichen“, was ihn erneut mit de Funès zusammengebracht hätte. „Ich fürchte, in einem Jahr wird Bourvil das nicht mehr machen können“, sagte er.
Den Tod vor Augen, drehte Bourvil unermüdlich noch eine Handvoll Filme.
Bei einem Film von Terence Young, der auf Englisch gedreht wurde, hatte er bereits Sprachstörungen. „Die haben bestimmt gedacht, ich hätte mich nicht vorbereitet“, vertraute er bedrückt einer Kollegin an.

Bei den Dreharbeiten zu Marcel Camus‘ Film „Leo, der Kriegsheld“ litt Bourvil offenbar fürchterlich, wie sich sein Kollege Patrick Préjan erinnert, aber er war bemüht, die Dreharbeiten nicht zu stören und sich sein nahes Ende nicht anmerken zu lassen. Am Rande dieser Produktion gab der Schauspieler sein letztes Interview, und offensichtlich ist der Journalist, der ihn befragt, nicht über seine Krankheit informiert. Oder ist er es doch und ist einfach sehr ungeschickt?
Dieser Filmclip erinnert mich an die von Hitchcock oft vorgetragene Geschichte über die Wirkung von Suspense: eine völlig banale Unterhaltung wird ungeheuer spannend, wenn wir die näheren Umstände kennen, wenn wir als Betrachter z.B. wissen, dass eine Bombe unterm Tisch liegt, von der die redenden Personen keine Ahnung haben. Wir hoffen, sie mögen das Gespräch rechtzeitig beenden, aufstehen und weggehen – und quälen uns, solange sie es nicht tun und weiter ihrem drohenden Ende entgegenquasseln.
Bourvil lächelt tapfer, als er dieses – wiederum sehr banale – Gespräch führt. Um seinen Zustand wissend ist es quälend, ihm dabei zuzusehen und zuzuhören. Wie würde dieser Dialog wohl wirken, wenn man keine Ahnung hätte?

Reporter: Sind Sie glücklich?
Bourvil: Ich? Ja! Aber sagen Sie mir – Sie als Psychologe: finden Sie, ich sehe glücklich aus?
Reporter: Ja, aber man kann glücklich aussehen und es nicht sein.
Bourvil: (lacht) Doch, doch. Ich bin glücklich. Wenn ich nicht glücklich wäre, wäre ich wirklich unverschämt.
Reporter: Was macht Sie glücklich?
Bourvil: Das Leben. Ich bin gesund, habe einen Beruf, der mir gefällt. Ich habe zwei Kinder, die wunderbar sind und arbeiten, und eine Frau, die eine ausgezeichnete Mutter ist. Was will man mehr? – Geld? Ich glaube, zum Leben reicht‘s. (ein leises Lachen) Ich muss nicht betteln. Und wenn ich alt bin, muss ich niemanden um etwas bitten. Das ist sehr angenehm. Wenn ich da nicht glücklich wäre, hätte ich eine Ohrfeige verdient.

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