Der Unverzichtbare

betr.: 63. Todestag von James Finlayson

Vollkommen zu recht nennt die englische Sprache jene Leute, die wir als „Nebendarsteller“ bezeichnen, „supporting actor“. Jedem von uns fällt auf Anhieb ein solches Gesicht ein und vielleicht auch der Rollenname dazu – sei es „Mr. Stringer“, „Cato“ oder „Thanner“.
James Finlayson ist etwas Besonderes, denn er trug in den vielen Rollen, die er als Nemesis von Laurel & Hardy zu bekleiden hatte, zumeist seinen eigenen Namen – er wird übrigens „Finlisn“ ausgesprochen.

Finnlayson1James Finlayson auf dem CD-Cover eines Archivmusik-Anbieters. (Music House International Ltd. 1992)

Und obwohl das halbe Ensemble der Hal Roach-Studios sich beruflich mit Laurel & Hardy anzulegen hatte – Damen und Herren gleichermaßen – sehen wir als ihren schlimmsten Widersacher sogleich den charakteristischen Glatzkopf mit dem Schnauzbart vor uns, den „Besitzbürger James Finlayson, der mit dem Charme einer Ammoniakflasche offene Rechnungen präsentiert und mit Genugtuung Hypotheken für verfallen erklärt“ (Thomas Brandlmeier, „Filmkomiker – Die Errettung des Grotesken“), seinen „sichtbaren Silberblick“ (Ephraim Katz, „The Film Encyclopedia“), seine „Gurkennase“ und seine „Säbelbeine“ (William K. Everson, „The Complete Films Of Laurel & Hardy“). Jene, die derart deftige Beschreibungen herzlos finden, mögen sich damit trösten, dass solch klare Worte nicht nur rückblickend hilfreich sind, sie waren einst einvernehmlich und allgemein üblich und rückten das Kapital jener kantigen Persönlichkeiten in den Vordergrund, die in unseren empfindlichen Zeiten so rar geworden sind.

Der Filmkomiker Louis de Funès hat gern Donald Duck als wichtigstes Vorbild für seine Mimik und Gestik angegeben. Viel prägender aber war James Finlayson in den von ihm geliebten Filmen mit Laurel & Hardy. Finlayson war nicht nur der Perfektionist (bzw. Perfektionierer) des Double Take, er entwickelte auch den dreistufigen Wutausbruch, der sich nur in kurzen gepressten Lauten bei gleichzeitigem Zusammen- und wieder Auseinanderzucken des ganzen Körpers auslebt – einem der zentralen Stilmittel von Louis de Funès. (Finlayson beherrschte übrigens noch eine zweite Variante, in der der Körper vom Unterkiefer wieder nach oben gezogen wurde.)

Der Schotte James Finlayson war – wie auch Stan Laurel und Charles Chaplin – ein Gastspielreisender, der in den USA blieb, um sich dem gerade geborenen Kino anzuschließen. Er stand Mack Sennett bei, als dieser noch vor der Kamera agierte, wurde von ihm weiterhin vor der Kamera eingesetzt und wechselte 1923 in die Hal Roach Studios. Der Rest ist Geschichte.

Finlayson trug den Walross-Schnurrbart nur im Film. Wie er privat aussah, lässt ich in „Pick A Star“ besichtigen, wo er ausnahmsweise glatt rasiert an Stan und Ollie verzweifelt. Mit dieser „Bürste unterm Rüssel“ und einer Motorik, die weitaus hemmungsloser in Richtung Cartoon changierte als die seiner meisten Kollegen, gehört er so unverzichtbar zu den glorreichen Tagen der Slapstick-Comedy wie die fliegende Sahnetorte. Folgerichtig war er das leidgeprüfte Gegenüber im berühmtesten Kurzfilm von Laurel & Hardy: „Big Business“ (im ZDF unter „Der geschändete Oberst“ zu sehen), in dem ihm im Hochsommer ein Weihnachtsbaum verkauft werden soll.

Wenn ich einen besonders komischen Moment mit ihm nennen sollte, würde ich an „Way Out West“ erinnern. Vom Lärm der zwei nächtlichen Eindringlinge geweckt, schleicht er mit Schrotflinte und Zipfelmütze durchs Haus. Erst sehen wir die leere Dekoration, dann springt er plötzlich von der Seite ins Bild – und schon vor der Landung hat er seine bedrohlich gemeinte Pose vollständig eingenommen.

1941 trat er zum letzten Mal gemeinsam mit Laurel & Hardy auf, im letzten Film, den diese für Hal Roach machten. Sein zumeist schmachvolles Spätwerk bei MGM und der Fox musste das berühmte Duo ohne ihn antreten.
Im Fred Astaire-Musical “Royal Wedding“ hat er 1951 – zwei Jahre vor seinem Tod – einen letzten, winzigkleinen Auftritt. In der kurzen Gesangsnummer vor dem Finale steht er in Livree vor einem Hotel und spricht / singt sein letztes Wort auf der Leinwand: „Lovely“ – mit starkem Cockney-Akzent.

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