Die Antike des Kinderfernsehens

betr.: 38. Jahrestag der ersten Folge der TV-Reihe „Unterwegs mit Odysseus“

Anton Zink war im Hauptberuf Redakteur des Südwestfunks (heute SWR) und im Nebenberuf ein Dichter, dessen Kunst mich an Wilhelm Busch* denken lässt. Das zweitere ist der Grund, warum ich an dieser Stelle gern mehr über ihn erzählt hätte, aber es ist nichts Biografisches über ihn herauszubekommen. Der Sender bat aus Datenschutzgründen um Verständnis, mir nichts weiter mitzuteilen, und ein Kontakt mit den Hinterbliebenen des Meisters ließ sich nicht herstellen.

„Unterwegs mit Odysseus“ war für mich als Halbwüchsigen ein Sehnsuchtstermin im Fernsehprogramm. Im Stil eines Urlaubsvideos gehalten, erzählt die Serie die Erlebnisse einer Familie, die der Odyssee nachreist, um sich ein Bild davon zu machen, welche bis heute sichtbaren Spuren die Abenteuer des Irrfahrers Odysseus hinterlassen haben. Aus pädagogischer Sicht war die Serie ein voller Erfolg (soweit es mich betraf): für mehrere Jahre konnte ich die Route nicht nur auswendig aufsagen, ich war sogar in der Lage, sie auf der Mittelmeerkarte nachzuzeichnen und die schlimmen Ereignisse zu schildern. Zu derartigen Leistungen im Fach Geographie habe ich nicht im Ansatz je wieder gebracht.
Das im Konzept bereits angelegte Augenzwinkern gipfelte in den simpel animierten aber enorm wirkungsvollen Zeichentricksequenzen des Grafikers Tony Munzlinger, der als flotter Familienvorstand auch das Segelboot steuerte. Pro Folge, Haltepunkt und Cartoon verfasste Anton Zink Texte, die in jeden humanistischen Bücherschrank gehören – vor allem, wenn Kinder in Haushalt leben und die Eltern Humor haben. Freilich ist das gar nicht möglich, denn die beiden Bücher, die zu den Serien „Unterwegs mit Odysseus“ und „Abenteuer mit Herakles“ herauskamen**, sind seit mehr als 35 Jahren vergriffen.
Immerhin: die Serie wurde vor einiger Zeit auf DVD herausgebracht (- obwohl das Format es in die Kathegorie „Fernsehkult“ schwerlich geschafft hat). Und es war augenblicklich wieder da: das helle Entzücken beim Anblick dieser Zeichnungen und beim Hören dieser Verse!

Es ist bezeichnend für unsere digitale Moderne, dass ich über einen verdienten Seefahrer aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. mehr weiß, als über einen zeitgenössischen Autor.

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* Das ist mein voller Ernst!
** Tony Munzlinger und Anton Zink: „Abenteuer mit Herakles“ – vgs, Köln 1981, ISBN 3-8025-2142-0 / „Unterwegs mit Odysseus“ – vgs, Köln 1981, ISBN 3-8025-2141-2.

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Eine Antwort zu Die Antike des Kinderfernsehens

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