Dann heult doch

betr.: „Stan & Ollie“

Zur Zeit sind Biopics wieder sehr angesagt. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass sich fast zwangläufig verhebt, wer versucht, eine komplette Lebensgeschichte in einen (meist überlangen) Film zu packen. Einige Beispiele der letzten Jahre stellten es schlauer an: sie wählten einen wichtigen Lebensabschnitt und kamen gleich zum Wesentlichen. So macht es auch Jon S. Baird, der sich in „Stan und Ollie“ schlanke 99 Minuten lang vor allem dem beschwerlichen Nachruhm seiner Helden widmet. Die Kritiken waren fast durchweg positiv, aber das hat bei diesem Thema nicht viel zu sagen. Wer sich an die Filme von Laurel und Hardy im Kinderfernsehen oder -Kino überhaupt noch erinnern kann, der ist dankbar, dass sich Hollywood ihrer in einer so aufwändigen Produktion  überhaupt annimmt, und ist von daher milde gestimmt. Dass sich die beiden Hauptdarsteller so fabelhaft herausgeputzt haben (haben herausputzen lassen), verdient Respekt, aber all das sagt allenfalls aus, dass der Film gut gemeint ist. Was taugt er wirklich?

Die Tatsache, dass andere mit ihrer Arbeit reich wurden, während Laurel und Hardy selbst noch im Alter tingeln mussten, um Geld verdienen, ist nicht ohne eine gewisse Tragik (und im Showgeschäft leider der Normalfall). Der Film „Stan und Ollie“ lässt sich davon die Richtung vorgeben. Ganz so tragisch war es in Wirklichkeit nun wieder nicht, denn immerhin durften die Altstars auf ihrer späten, sehr erfolgreichen Tournee nach Großbritannien erleben, wie beliebt sie in Übersee gewesen sind und immer noch waren. Dass der Film diesen Erfolg anfangs nicht eingesteht, weil das besser ins rührselige Konzept passt, ist bereits verdächtig.  Die völlig unpassende, routiniert-süßliche Billig-Filmmusik schreckt weitere böse Ahnungen auf.

Aber zunächst will man natürlich wissen, wie gut die Hauptdarsteller die Illusion hinbekommen, Laurel und Hardy zu sein. Stan-Darsteller Steve Coogan  spielt die Tapferkeit des alten Komikers, der unverdrossen an Sketchen und Drehbüchern arbeitet und große Pläne spinnt, mit angenehmer Zurückhaltung. John C. Reilly, der wahrlich kein übler Schauspieler ist, kann oder darf seinen Part nicht gestalten (was unter mehreren Pfund Gummimaske ohnehin nicht einfach wäre), bekommt aber sein Vorbild auch parodistisch nie zu fassen. Er kennt Hardy nicht gut genug und agiert auch in den 30er-Jahre-Szenen viel zu schwerfällig. Die beliebten Ollie-Petitessen (Krawattenwedeln, verschmitztes Blinzeln …) sind willkürlich, erratisch und unmotiviert, so als hätte der Regisseur noch kurz vor dem „Action!“-Kommando hineingerufen: „Ach ja, und an dieser Stelle könntest du mal wieder die Fingerchen drehen!“ Ollies Gesten sind entweder zu zögerlich (etwa wenn er Stan auf der Bühne einen Blechnapf überbrät) oder zu grob (wenn er seine Worte mit feierlichen Gesten sekundiert). Reilly imitiert Hardy auf einem Niveau, als hätte er ihn nie sehen können, sondern sich nur beschreiben lassen. Wie fremd der modus operandi des Duos den Machern des Films ist, lässt sich an der kleinen Rangelei um eine Rezeptionsglocke erkennen, die mich eher an „Harald und Eddi“ denken ließ.

Zwei, dreimal werden typische Dick-und-Doof-Pannen in die Geschichte eingebaut, was zu inkonsequent geschieht, um funktionieren zu können und außerdem an einem lausigen Timing krankt. Keiner (wirklich nie-mand!) der an diesem Film Beteiligten versteht etwas von Komödie oder gar von Slapstick. Was Mr. Baird zu dieser Regiearbeit bewogen hat, ist mir ein Rätsel. Er weiß mit seinem Sujet nicht das Geringste anzufangen.

Apropos Komödie: so wenig die Motorik stimmt, so uninspiriert ist auch der Dialog geraten. Die beiden Ehefrauen, die ab dem zweiten Akt zu den Künstlern stoßen, sind offenbar als untereinander verzankte Gegenpole angelegt, als ein Echo auf die gruseligen Gattinnen aus den Filmen. Leider fällt dem Drehbuch zu ihrem Verhältnis nichts ein, und sie muffeln wortkarg aneinander vorbei. Hier hätte ein wenig Screwball-Dialogwitz Wunder gewirkt, aber soll man den heutzutage in Hollywood hernehmen?
So bleibt uns nichts anderes übrig, als den Blick in die Dekorationen schweifen zu lassen, die (unzweifelhaft) penibel den historischen Fotos nachgebildet sind, die sich im Internet finden ließen, die aber schon wegen ihrer Sterilität und Soap-artigen Ausleuchtung niemals Atmosphäre schaffen.

Auch die so wichtige Besetzung der kleineren Rollen ist verschenkt. Die junge Dame an der Rezeption, der Juwelier, die Vorzimmerdame der Filmproduzenten, der peinliche ältere Herr auf dem Empfang … alles nur Komparsen in passender Kostümierung. Der Agent von Stan und Ollie (die größte Nebenrolle) ist vollkommen konturlos. Ihr alter Produzent Hal Roach hingegen wird zum vulgären, raffgierigen Untier aufgebaut. Gewiss: er hatte seine „künstlerischen Meinungsverschiedenheiten“ mit Laurel und betrieb eine rückblickend betrachtet unfeine Vertragspolitik mit seinen Zugpferden. Aber deshalb war er noch keine Mischung aus Dr. Mabuse und Luca Brasi.
Baird arbeitet er mit solcherlei Fratzenschneidereien, weil er offensichtlich nicht weiß, was er uns sonst zu diesem Thema erzählen soll.

Das führt zum ärgerlichsten Aspekt dieses Filmes: den historischen Unrichtigkeiten. Die übelste der Verunglimpfungen nötigt den beiden Komikern ein jahrelang verschlepptes berufliches Eifersuchtsdrama auf. Nach allem, was wir aus unzähligen Büchern und Zeitzeugenberichten wissen, waren Laurel und Hardy zunächst keine dicken Freunde, aber Kollegen, die gut miteinander auskamen und sich gegenseitig schätzten. Auf der besagten Tournee kamen sie sich dann auch menschlich näher, da sie nun ungewöhnlich viel Zeit miteinander verbrachten. Der Film unterstellt dass Laurel Hardy „diesen Elefantenfilm“ verübelte, den dieser einst ohne seinen Partner realisierte. Das ist grotesk – Hardy hatte schließlich einen Vertrag zu erfüllen. Der Gipfel der Unverschämtheit aber ist die Behauptung, Stan hätte allen Ernstes erwogen, mit einem Ersatz zu arbeiten, nachdem Hardy auf der Tournee erkrankt war.

Es gibt eine winzige Szene, die einer dieser großen kleinen Momente hätte werden können. Am Bahnhof kauft sich Hardy eine Zeitung, um die Ergebnisse der Pferdewetten zu erfahren. Er ist über das, was er da liest, nicht erfreut, zerknüllt die Zeitung und pfeffert sie in einen Abfalleimer. Im Hintergrund sehen wir – noch unscharf – eine Gruppe von Kindern. Welch eine Kombination, dachte ich: unbemerkt hat sich Hardys Zielgruppe eingefunden und ihn bei einer vertrauten Geste beobachtet. Hardy dreht sich um und bemerkt die Kinder, und es geschieht … nichts.

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