Augen zu, Ohren auf: „Taran und der Zauberkessel“

Schlechte Filme mit guten Soundtracks (1)

„The Black Cauldron“ (1985) markiert den abendfüllenden Tiefpunkt eines führerlos trudelnden Konzerns namens Disney, der sich vom Verschwinden seiner Gründergeneration noch nicht erholt hatte. Heute brauchen wir uns um dieses Unternehmen bekanntlich keine Sorgen mehr zu machen.
In „Taran und der Zauberkessel“ werden die Versatzstücke der letzten knapp 50 Jahre Trickfilmgeschichte auf eine so kopflose Art und Weise verwurstet, dass sich zum Schluss wirklich jede denkbare Zielgruppe auf den Schlips getreten fühlen darf. Selbst die gelungenen Zutaten machen kein Vergnügen, weil sie sich gegenseitig ins Gehege kommen. Die wiedererweckten Skelettsoldaten etwa sind eindrucksvoll animiert, aber so grauenerregend, dass die Neonazi-Szene die Screenshots für ihre frühen Internat-Auftritte nutzte. Die Gefährten des jugendlichen Helden machen den Eindruck abgelehnter Entwürfe eines No-Name-Studios. Am schlimmsten ist der optisch an Disneys Hundeknaben „Strolchi“ orientierte Gurgi, der es gleichzeitig darauf anlegt niedlich, tollpatschig, feige, verfressen, vorlaut, selbstlos, räudig, einfallsreich, heldenhaft, töricht und reinen Herzens zu sein. Das Ergebnis war die größte Nebenrollen-Nervensäge des Popcorn-Kinos – jedenfalls bis es George Lucas gefallen hat, uns Jar Jar Binks zuzumuten.

Bezeichnend für diese Phase der Verirrung eines ehrwürdigen Trickfilmstudios ist es, dass in „Taran“ (zum ersten Mal überhaupt in einem gezeichneten Disney-Feature) kein Song vorkommt – das ist auch gut so angesichts des Personals, das ihn hätte vortragen müssen.
Der Altmeister Elmer Bernstein, der sowohl das sinfonische Idiom beherrschte als auch zu den Pionieren des Jazz in der Filmmusik gehört, komponierte eine Partitur, in der sich die lyrischen und die dramatischen Passagen viel besser ergänzen als es dem Film gelungen wäre. Das Soloinstrument ist eine Ondes Martenot, ein frühes elektronisches Musikinstrument, das wunderbar zum mittelalterlichen Setting der Geschichte passt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Bernstein lieber ein Theremin eingesetzt hätte, jedoch keinen Musiker fand. (Inzwischen gibt es viele davon, wie man bei YouTube sehen kann.) Der Soundtrack mit dem Utah Symphony Orchestra wurde in dieser Übergangszeit von Vinyl zur CD in beiden Medien vorgelegt (es gab auch eine deutsche Pressung) und erfuhr inzwischen mehrere Neuauflagen mit zusätzlichem Material .
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* Siehe auch https://blog.montyarnold.com/2019/12/16/roy-e-disney/

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