Geschichte des Komiker-Handwerks (42)

Fortsetzung vom 31.8.2020

Sie alle spielten mit ihrem Minderheitenstatus, ihre Gags handelten vom unverdrossenen Kampf gegen die ihnen feindlich gegenüberstehende Welt des Goj (so die gebräuchliche jüdische Bezeichnung für einen Nichtjuden). Ihr Humor konnte auf dreierlei Art in Erscheinung treten: als vorauseilende Selbstherabsetzung, kritische Selbstanalyse oder angriffslustiges Löcken wider den Stachel. Die jüdische Variante der Stand-Up Comedy umfasste also alle Gefühlslagen zwischen Minderwertigkeitskomplex und Überheblichkeit, zwischen Raubtier bzw. Angry Man und Beute bzw. Loser / Schlemiel (Lenny Bruce). Sie spiegelte die komplexe gesellschaftliche Situation der jüdischen Entertainer wieder und bot ihnen ein ideales Forum.

Sehen wir uns die drei Varianten genauer an.
Der Humor des „geprügelten Juden“ diente der Selbsterklärung und als Blitzableiter erwartbarer Kränkungen. Solcherlei „selfdeprecating Humor“ war gleichsam identitätsstiftend und signalisierte dem nichtjüdischen Publikum, dass ihm keinerlei Gefahr drohte. Janus beschrieb ihn als „rituellen Exorzismus“.
Der selbsthinterfragende Ansatz untersuchte die Stellung der Juden in der modernen Gesellschaft und machte sich andererseits über das Leben in der jüdischen Gemeinde und Gemeinschaft lustig. Woody Allen ist in seinen Comedy-Monologen wie auch später in seinen Drehbüchern ein besonders populärer Vertreter dieser Richtung.
Den angriffslustigen Typus verkörperte besonders wirkungsvoll Lenny Bruce, und auch die ersten weiblichen Stand-Ups gingen scheinbar ganz in ihm auf.
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* Die immense Wichtigkeit jüdischer Kräfte im westlichen Musikleben des frühen 20. Jahrhunderts sowie ihre besondere Bedeutung für die Entstehung des Musicals werden unter https://blog.montyarnold.com/2018/06/29/wo-nie-ein-taktstock-zuvor-gewesen-ist-der-komponist-bernard-herrmann-1/ sowie in der Serie „Broadway’s Like That“ näher erläutert.

Aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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